Mission Arktis
Dr. Amanda Reynolds. Sie war dabei gewesen und noch nie hatte Perry diese starke und unabhängige Frau so tief erschüttert erlebt.
Was auf dem DeepEyeSonar zu sehen gewesen war – das Flackern einer Bewegung –, war allerdings noch nicht geklärt worden. Vielleicht war es nur ein sonarer Geist gewesen, eine durch die Bewegung des U-Bootes erzeugte Illusion. Vielleicht war es auch ein Raubtier gewesen, das aus der Station geflohen war, etwa ein Eisbär. Letzteres war jedoch eher unwahrscheinlich, es sei denn, das Tier hatte einen Eingang gekannt, den sie noch nicht gefunden hatten. Vor zwei Monaten waren sie gezwungen gewesen, Thermitgranaten einzusetzen, um sich einen Weg in die Station freizuschmelzen. Seither hatte man mit Hitzegranaten und C4-Sprengstoff für die Polar Sentinel eine künstliche Polynja geschaffen, um die wieder bemannte Basis versorgen zu können.
Während Perry weiterging und den Presseisrücken wieder hinunterstieg, wünschte er sich, er hätte die ganze russische Station einfach versenkt. Nichts Gutes würde daraus erwachsen, da war er sicher. Aber er musste seine Befehle befolgen. Wieder schauderte er. Der Wind wurde stärker.
Ein Schrei lenkte seine Aufmerksamkeit zurück zu den JameswayHütten. Eine Gestalt im blauen Parka winkte Perry und seine Leute zu sich. Perry beschleunigte seinen Abstieg, und der Mann eilte, gegen die Kälte geduckt, auf ihn zu.
»Captain.« Es war Erik Gustof, der kanadische Meteorologe, ein stämmiger Kerl norwegischer Abstammung, mit weißblondem Haar, groß und kräftig. Momentan erkannte man allerdings nur seine Augen hinter einer Schutzbrille, die er gegen das Gleißen des Schnees trug, und seinen vom Frost ganz weißen Schnurrbart. »Da will Sie jemand am Satellitentelefon sprechen.«
»Wer …?«
»Admiral Reynolds.« Der Mann blickte zum Himmel empor. »Sie müssen sich sputen, wir erwarten übles Wetter, und die letzten Überreste des Sonnensturms mischen unsere Kommunikationssysteme immer noch mächtig auf.«
Perry nickte und wandte sich an seinen Junior Officer. »Lassen Sie die Männer gehen, sie haben bis zwanzig hundert frei. Dann kriegt das nächste Team Landgang.«
Die Ankündigung wurde mit allgemeinem Jubel aufgenommen. Rasch verteilten sich die Männer in verschiedene Richtungen, ein paar in die Messe der Station, andere zur Freizeithütte, wieder andere in die Quartiere für persönlichere Vergnügungen. Captain Perry folgte Erik zu drei miteinander verbundenen Hütten, dem Operationshauptquartier.
»Dr. Reynolds hat mich losgeschickt, damit ich Sie möglichst schnell herbringe«, erklärte Erik. »Momentan spricht sie mit ihrem Vater. Aber wir wissen nicht, wie lange die Verbindung hält.«
Sie kamen zur Tür der Operationshütte, klopften Schnee und Eis von ihren Stiefeln und traten geduckt durch die Tür. Nach der Eiseskälte tat die Wärme im Innern der Hitze beinahe weh. Perry streifte die Handschuhe ab, öffnete den Reißverschluss seines Parkas und warf die Kapuze zurück. Dann rieb er sich die Nasenspitze, um sich zu vergewissern, dass sie noch da war.
»Ziemlich kühl da draußen, was?«, sagte Erik, der seinen Parka anbehalten hatte.
»Es ist weniger die Kälte als die Feuchtigkeit«, gab Perry sarkastisch zurück, während er seinen Parka zu den vielen anderen hängte, die bereits die Garderobe zierten. Er trug noch immer den blauen Overall mit seinem Namen auf der Tasche. Seine Kappe faltete er zusammen und stopfte sie unter den Gürtel.
Erik ging zurück zur Tür. »Sie kennen ja den Weg zur NAVSAT-Station. Ich muss vor dem Sturm noch ein paar Instrumente checken.«
»Danke.«
Erik grinste und riss die Tür auf. In der kurzen Zeit war der Wind bereits beträchtlich stärker geworden. Eine Bö fuhr herein und traf Perry im Gesicht wie eine Ohrfeige. Erik eilte hinaus und schob die Tür hinter sich zu.
Einen Moment fröstelte Perry und rieb sich die Hände. Wer zum Teufel erklärt sich freiwillig bereit, zwei Jahre in dieser Hölle zu verbringen?
Er durchquerte das Vorzimmer und gelangte durch eine weitere Tür ins Hauptgebäude. Hier lagen die verschiedenen Verwaltungsbüros und einige Labore. In diesem Haus wurde vor allem die saisonale Wachstumsrate und die Erosion des Packeises erforscht und der Wärmehaushalt der Arktis gemessen. Aber die Labore in den anderen Hütten waren sehr unterschiedlich, von einem voll ausgestatteten Bergbaubetrieb, bei dem Bohrkerne vom Meeresboden untersucht wurden, bis zu einem Hydrolabor, das
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