Mission Arktis
stand.
Während man sie in warme Handtücher wickelte, fragte sie: »Fernandez?«
Sewell schüttelte den Kopf. »Er war schon tot, als die Russen Sie gefunden haben.«
Ihr Herz wurde schwer. Man führte sie zu einer Reihe von Stühlen, vor denen mehrere Heizlüfter standen. Ihr Vater war bereits da und schlürfte einen Becher heißen Kaffee. Vom Morphium waren ihre Knie etwas weich, aber sie schaffte es bis zu dem Stuhl neben ihm.
»Jen«, sagte ihr Vater. »Willkommen unter den Lebenden.«
»Das nennst du Leben?«, meinte sie traurig. Nachdem sie sich gesetzt hatte, stellte sie sich Fernandez’ munteres Grinsen vor. Schwer zu glauben, dass jemand so Lebendiges jetzt auf einmal tot war. Trotzdem breitete sich in ihr ganz langsam ein Gefühl von Erleichterung aus, vielleicht zum Teil vom Morphium verursacht, aber größtenteils aus ihrem eigenen Herzen.
Sie war am Leben.
Der Heizlüfter blies ihr feuchte Luft ins Gesicht und jemand drückte ihr einen Becher heißen Kaffee in ihre zitternden Hände.
»Trinken Sie das«, sagte Sewell. »Wir müssen Sie von innen genauso aufwärmen wie von außen. Und Koffein ist immer ein gutes Aufputschmittel.«
»Keine Sorge, Kaffee müssen Sie mir nicht aufschwatzen, Commander.« Sie trank einen Schluck des heißen Gebräus und spürte, wie die Wärme sie durchdrang. Ein Schauder – halb Vergnügen, halb Schmerz – schüttelte sie.
Hände und Bauch vom Kaffee gewärmt, sah sie sich um. Sie befand sich in einem großen Schlafraum. An beiden Wänden standen Pritschen. Die meisten Anwesenden waren Zivilisten, offenbar Wissenschaftler, aber es gab auch ein paar NavyLeute.
Sie wandte sich wieder an Sewell. »Erzählen Sie mir, was passiert ist.«
Er musterte sie. »Die Russen haben die Basis requiriert.«
»Das habe ich mir auch schon gedacht. Aber warum?«
Er schüttelte den Kopf. »Es hat etwas mit der Eisstation zu tun, die wir gefunden haben. Irgendwas muss da drüben versteckt sein. Die Russen haben die höheren Ränge des Basispersonals systematisch befragt, um herauszufinden, was wir wissen. Deshalb sind Sie auch gerettet worden. Die Russen dachten, Sie wären vielleicht mit etwas oder jemandem geflohen, also haben sie Sie zurückgeholt. Ich habe sie über Ihren Status informiert.«
»Wonach suchen die Russen?«
»Das weiß ich nicht. Was immer in der anderen Basis sein mag, wird unter Verschluss gehalten. Nur für NTK.«
»NTK?«
»Need-to-know. Für diejenigen in der Befehlskette, die Bescheid wissen müssen.« Seine Stimme wurde hart. »Und anscheinend gehöre ich nicht dazu.«
»Was tun wir jetzt?«
»Wir haben nicht viele Möglichkeiten. Wir hatten nur ein kleines Sicherheitsteam.« Er machte eine ausladende Handbewegung. »Die Mistkerle haben fünf unserer Männer getötet. Wir Restlichen wurden schnell besiegt und hierher gebracht. Das zivile Personal ebenfalls. Wir werden alle bewacht. Aber man hat uns gesagt, wenn wir keinen Ärger machen, sind wir in achtundvierzig Stunden wieder frei.«
Jetzt meldete sich Jennys Vater aus seiner Deckenhülle zu Wort. »Was ist mit der anderen Sno-Cat? Der mit Matt und Craig?«
Jenny merkte, wie sich alles in ihr anspannte; sie befürchtete das Schlimmste.
»Soweit ich weiß, ist mit ihnen alles okay. Ich konnte mit ihnen Kontakt aufnehmen, bevor wir hier gefangen worden sind. Ich hab ihnen gesagt, sie sollen Alarm auslösen, wenn sie die Eisstation erreichen.«
Jenny nippte an ihrem Kaffee. Ihre Hände zitterten auf einmal wieder schlimmer und aus irgendeinem Grund war sie den Tränen nahe. »Sonst sind alle hier?«
»Alle, die noch am Leben sind, ja.«
Sie schaute sich im Zimmer um, denn sie suchte ein bestimmtes Gesicht. »Wo ist Ensign Pomautuk?«
Sewell schüttelte den Kopf. »Nicht hier. Er gehört zu den Vermissten, zusammen mit einer Hand voll Zivilisten. Aber ich kann nichts mit Sicherheit sagen. Die Russen haben ein paar Schwerverletzte in die Krankenstation mitgenommen. Vielleicht ist er da. Wir wissen noch längst nicht alle Einzelheiten.«
Jenny starrte zu ihrem Vater hinüber. Seine Nasenspitze war aschfahl – eine Erfrierung. Aber als er ihre Angst sah, streckte er eine Hand unter der Decke hervor und suchte ihre. Jenny fühlte seine Finger – voller alter Schwielen, aber immer noch kräftig. Er hatte so viel durchgemacht und überlebt! Als würde sie seine Stärke aufnehmen, konnte sie Sewell jetzt die nächste Frage steilen. »Was ist mit diesen achtundvierzig Stunden? Glauben Sie, dass die uns dann wirklich gehen
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