Mission auf Leben und Tod
Bedford freut sich, den Tod von Monsieur Gunther Marc Roche aus der Rue de Bâle, Genf, bekanntgeben zu dürfen.
Auf einem verlassenen Straßenabschnitt bog er in einen zu beiden Seiten dicht von Bäumen bewachsenen Feldweg ein. Hier löste er – zum letzten Mal nun – die schwarze Perücke und den Vollbart, zog sein schwarzes T-Shirt aus, den marineblauen Sweater, und stopfte die Sachen samt rotem Schweizer Pass und Führerschein tief unten in das Geheimfach seiner Tasche.
Er holte ein sauberes weißes T-Shirt und seine leichte Tweedjacke heraus und stülpte sich sorgfältig die blonde Perücke über, befestigte das ordentliche Bärtchen und setzte die randlose Brille aus Fensterglas auf. Völlig unmöglich, ihn auch nur entfernt mit dem vollbärtigen Piraten in Verbindung zu bringen, der im Moment von der englischen Polizei, der britischen und französischen Küstenwache und der Polizei in der Bretagne gejagt wurde.
Mack hatte eine hervorragende Spur gelegt. Aufnahezu jedem Meter, angefangen vom Pub gegenüber seinem Hotel in Brixham bis hin zu Laporte-Auto, das mittlerweile gut 20 Kilometer hinter ihm lag, war er gesehen worden. Bedienungen, Hafenmeister, Parkplatzwächter, Buchhändlerinnen, Trawler-Kapitäne, sogar ein Typ, der mit seinem Schlauchboot zum Angeln hinausgefahren war, hatten ihn gesehen und konnten es bezeugen. Seiner Meinung nach konnte es keine vier oder fünf Stunden mehr dauern, bis Interpol an die Tür der Rue de Bâle 18 klopfte. Weiß Gott, was sie dort vorfinden würden, vor allem, weil er die Adresse erfunden hatte. Er wusste noch nicht einmal, ob es in der gesamten Schweiz eine Straße dieses Namens gab.
In Genf würde man also hektisch den Mörder jagen, in Rennes ebenfalls und vor allem in Val André. In Brixham würden Ermittlungen wegen versuchten Mordes eingeleitet werden, spätestens dann, wenn der Parkplatzwächter über den Vollbartträger mit seinem komischen Akzent auspackte, der seinen Ford Fiesta zurückgelassen hatte – ohne Nummernschilder, ohne Zulassung, ohne Steuermarke und ohne Fingerabdrücke.
Mack musste lächeln. »Und das alles für einen Typen, den es nie gegeben hat und der nie gefunden werden kann – ein Schweizer Gespenst.«
Er nahm an, dass die britische Polizei den Wagen letztlich auseinandernehmen und die Fahrgestellnummer finden würde, die sie dann vielleicht nach Dublin führte. Und dort würden sie auf einen Mr. Michael McArdle treffen, der ihnen alles über einen Iren namens Patrick Sean O’Grady aus der 27 Herbert Park Road, Dublin 4, erzählte, geboren im County Kildare, was er mit Passnummer und Führerschein belegen konnte.
Mack prustete lauthals los bei dem Gedanken, dass es auch diesen Mr. O’Grady nie gegeben hatte. Genauso wenig wie dessen Passnummer und Adresse und Führerschein.
Die ganze Sache aber war zu ernst, um darüber zu lachen. Irgendwann in den nächsten Stunden musste er alles vernichten, was ihn irgendwie mit Gunther Marc Roche in Verbindung bringen konnte. Davor stand noch eine zweite Aufgabe an. Herausgeputzt als Jeffery Simpson, fuhr er auf die Straße zurück und wollte sich so schnell wie möglich ein Café suchen.
Acht Kilometer weiter fand er eines, ein kleines Landrestaurant mit großem Parkplatz, auf dem einige Wagen und zwei riesige Laster standen. Er stellte seinen Peugeot ganz hinten ab, ging um sein Fahrzeug herum und schraubte eilig beide Nummernschilder ab. Er warf sie auf den Rücksitz und ging ins Café zum Frühstücken.
Es war ein helles, sauberes, billiges Lokal, in dem einiges los war. Mack fand einen kleinen Zweier-Tisch am Fenster. Er bestellte Orangensaft und Kaffee und nahm sich vom Zeitungsständer eine Le Monde . Als die Bedienung kam, um die Bestellung aufzunehmen, ließ er den Blick über die Speisekarte schweifen und entschied sich für ein Omelett mit Schinken, ein Croissant und Marmelade.
Er wandte sich der Zeitung zu; auf Seite drei lautete die Schlagzeile:
SICHERHEITSWARNUNG FÜR FOCHES MORGIGE REDE VOR DEN ARBEITERN IN SAINT-NAZAIRE
Mack trank seinen Kaffee, kämpfte mit der französischen Sprache und versuchte den Inhalt des Artikels zu erfassen. In den folgenden zehn Minuten, bis sein Omelett kam, erfuhr er, dass es unter den Arbeitern der Werften in Saint-Nazaire einige Unruhe gegeben hatte. Le Monde vermutete, dass Foche selbst einen großen Anteil an den Industrieunternehmen besaß und nun nervös war, dass die gesamte Arbeiterschaft bei den anstehenden Wahlen gegen ihn
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