Mission auf Leben und Tod
Strom aus dem Herzen von Zentralfrankreich hatte mit einem Schwimmbecken in etwa so viel gemeinsam wie eine Knallbüchse mit einer Lenkrakete. Macks Kurs zum jenseitigen Ufer, quer durch den Fluss zur gegenüberliegenden Seite der Saint-Nazaire-Brücke, würde eins-eins-drei lauten, nach Südosten, die Entfernung – gut drei Kilometer – würde sehr von der Fluss- und der Gezeitenströmung abhängen, die sich mächtig anstrengte, Mack hinaus in den Atlantik zu ziehen.
Die Kugeln gingen noch immer auf die Wasseroberfläche nieder. Die Sicherheitskräfte schrien und schossen. Manche wollten etwas gesehen haben, dann wieder nichts. Pierre Savary war über Raul Declercs Tod informiert worden. Es erschien ihm alles so unwirklich. Kaum einen Tag zuvor hatten sie drei noch zusammengesessen, hatten auf Foches Anwesen diniert und Pläne geschmiedet, Pläne, die auf dem schwarzen Asphalt von Saint-Nazaire Maritime zunichte gemacht wurden.
Chef d’Escadron Paul Ravel tauchte wie aus dem Nichts neben Pierre Savary auf. »Die Situation hat sich schlagartig verändert«, sagte der Polizeichef dem Mann, den er erst 36 Stunden zuvor am Strand befördert hatte.
»Für mich nicht«, erwiderte Ravel. »Ich bin hier, weil ich den Mörder suche, der in Val André zwei Menschen umgebracht hat. Den suche ich immer noch, nur hat er jetzt mindestens fünf weitere auf dem Gewissen. Der Unterschied ist nur, ich weiß jetzt, wo er ist – entweder im Wasser, irgendwo dort unten, oder er versteckt sich irgendwo in den Kais.«
Pierre Savary beäugte ihn misstrauisch. »Was soll das heißen, fünf weitere auf dem Gewissen – Sie meinen doch zwei?«
»Nein, Monsieur. Im fünften Stock des Lagerhauses wurden drei Männer gefunden, tot. Einer mit durchtrennter Kehle, den anderen beiden wurde der Schädel eingeschlagen.«
»Großer Gott! Woher wissen Sie das?«
»Ich hab sie eben gesehen. Sie lagen auf dem Boden im Stockwerk, aus dem er gefeuert hat. Bevor er runtergesprungen ist.«
»Woher wollen Sie wissen, dass er gesprungen ist?«
»Es gibt sonst keinen Weg nach unten. Es sei denn, er gehört zu den Sicherheitskräften und ist mit seinem Kumpel runtermarschiert.«
»Dann war es ein gewaltiger Sprung. Aber er wird nicht weit kommen. Sie meinen wirklich, er ist noch im Hafenbecken?«
»Nicht unbedingt. Er war drin. Vielleicht hat er es mittlerweile verlassen. Er kann überall sein.«
»Was halten Sie für am wahrscheinlichsten?«
»Ich glaube nicht, dass er noch im Wasser ist. Das hat er nur für die weiche Landung gebraucht. Trotzdem, die Küstenwachboote laufen gerade aus, mit Radar. Wenn er noch drin ist, dann ist er so gut wie erledigt. Aber dieser Typ ist uns gern einen Schritt voraus. Ich wette, dass er mittlerweile an Land ist, sich umzieht und zur Flucht vorbereitet. Vielleicht wird er auch von jemandem abgeholt.«
»Meinen Sie, er wird noch mal jemanden umlegen?«
»Das, Monsieur, hängt ganz davon ab, wer sich ihm in den Weg stellt.«
Savary informierte die Polizei von Saint-Nazaire und den Befehlshaber der nationalen Sicherheitskräfte über die Lage und betraute den Befehlshaber der Küstenwache mit der Leitung der Operationen auf dem Wasser. Alle wurden angewiesen, sich auf die nördliche Flussseite zu konzentrieren, auf die Docks, die Anlegestellen und die im Bau befindlichen Schiffsrümpfe. »Der Typ wird versuchen, auf dieser Uferseite aus dem Fluss zu kommen«, sagte er. »Da schnappen wir ihn uns. Hier muss er raus.«
Mehr als tausend Mann machten sich auf den Weg zu den Außenbereichen der Werft und warteten darauf, dass der vollbärtige Gunther Marc Roche aus der Tiefe auftauchte.
Mack bekam davon natürlich nichts mit. Er hörte die beiden Krankenwagen nicht, die mit heulenden Sirenen auf die Werft kamen. Ebenso entging ihm das hörbare Aufstöhnen der Menge, als auf einer Bahre Henri Foche, Körper und Gesicht von einem weißen Laken bedeckt, durch die Hecktür geschoben wurde. Viele der weiter entfernt stehenden Zuschauer glaubten noch immer, er sei von einer plötzlichen Übelkeit befallen worden.
Als sich Claudette wieder aufrichtete, war ihr gelbes Chanel-Kostüm über und über mit Blut verschmiert. Frauen kreischten. Und die Werftsirenen gellten lautstark los.
Nachdem nun die örtliche Polizei, die nationalen Sicherheitskräfte und die Küstenwache im Einsatz waren, kam es unweigerlich zu chaotischen Zwischenfällen, Meinungsverschiedenheiten und Kompetenzgerangel. Die Leichen wurden aus dem
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