Mission auf Leben und Tod
flüchtete. Ohne das Angriffsboard hätte er es nie versucht, dieses hervorragende Navigationsgerät, das schon Tausenden von SEALs das Leben gerettet hatte. Das Board würde ihm den Weg weisen, würde dafür sorgen, dass er auf Kurs blieb, würde ihn korrigieren, ihn leiten und warnen, falls er Gefahr lief, diesen Kampf zu verlieren.
Tief unter sich auf dem Grund der Loire erhaschte er das schwarz-silberne Schimmern eines Steinbutts, der die Flussmündung kreuzte. Er musste an Tommy denken; Tommy, der angelte, der den Fisch rauszog. Immer Tommy. Es verlieh ihm Kraft, der Gedanke an seinen kleinen Jungen … ich komme nach Hause, Junge. Vertrau mir, ich komme heim.
Er legte alle Kraft in den Beinschlag, hinüber zum Südufer, diagonal durch den Fluss bis über den hoch aufragenden Südpfeiler der Saint-Nazaire-Brücke hinaus. Er zählte die Beinschläge mit, zählte die Minuten und wusste, dass er nach jeweils drei wieder 100 Meter zurückgelegt hatte.
Das GPS bestätigte, dass er nach 20 Minuten fast 800 Meter hinter sich hatte. Bislang war er durch die Gezeiten nicht von seinem Kurs abgetrieben worden. Wie bei allen Flüssen ist der Gezeitenstrom in der Flussmitte bei Ebbe weniger ausgeprägt als bei Flut. Mack war sich bewusst, dass ihm in der nächsten Viertelstunde das Leben erheblich erschwert werden würde.
Laut seiner Berechnung war er seinem Zeitplan ein klein wenig voraus. Bislang spürte er nur einen sehr schwachen Schmerz in den Oberschenkeln, dort, wo es immer wehtut beim Langstreckenschwimmen. Er hatte es sogar bei seinen Bahnen in Harrys Country Club gespürt. Ihm war, als wäre er erneut zu Saddams Bohrinsel unterwegs. Mein Gott, wie hatte er sich in jener Nacht gefühlt. Aber er hatte sich durchgekämpft, egal, wie schwer es war. Ich komme heim, Tommy.
Mack tauchte auf seiner gewöhnlichen Tiefe von sechs Metern und lauschte auf näher kommende Schiffsschrauben. Nur wenige Schiffe haben einen Tiefgang von sechs Metern – die meisten kommen kaum auf drei Meter –, trotzdem wollte er nicht von den riesigen Propellerflügeln eines leise dahinfahrenden Öltankers in zwei Teile geschnitten werden.
In dieser Tiefe ist von den Oberflächengeräuschen kaum etwas zu hören, Schiffsschrauben in seichten Gewässern allerdings verursachen ein charakteristisches Rauschen. Er hatte bereits zwei oder drei weit hinter sich vernommen.
Die Helikopter der Küstenwache waren mittlerweile in der Luft, einer schwebte über dem Hafenbecken, die anderen beiden knatterten tief über die Uferabschnitte in der Nähe der Kais. Zur Suche am Nordufer des Flusses wurde alles aufgeboten. 1100 Männer, drei Hubschrauber, sechs Patrouillenboote, Radar, Sonar im Hafen, Maschinenpistolen, die die Wasseroberfläche aufwühlten. Nur selten in der Geschichte waren so viel Technik und Grips auf so begrenztem Gebiet und in so kurzem Zeitraum auf einen einzigen Mann gerichtet gewesen.
Pierre Savary wurde von Minute zu Minute nervöser. Es ging mittlerweile seit fast einer Stunde so. Jeder Küstenwachkommandant, jeder Offizier der Sicherheitskräfte, sogar Paul Ravel, alle waren der Meinung, dass es nur eine Möglichkeit gab: Gunther, oder wie zum Teufel er auch immer heißen mochte, konnte nicht mehr am Leben sein. Es war nur allzu wahrscheinlich, dass er den Sprung aus dem Lagerhaus nicht überlebt hatte oder im Hafenbecken ertrunken oder erschossen worden war. Wie sollte der Schweizer Attentäter gegen dieses massive Aufgebot bestehen können?
Savary allerdings war sich dessen nicht so sicher. Dieser Gunther hatte auf seinem Weg nach Saint-Nazaire jeden Polizeibeamten Frankreichs hinters Licht geführt. Es war ihm gelungen, die scheinbar unüberwindlichen Sicherheitsmaßnahmen um Henri Foche auszuhebeln, und bislang hatte, soweit Savary wusste, niemand ihn gesehen, niemand konnte ihn beschreiben – außer dieser Laporte in Val André.
Gut. Er ist also nicht mitten im Fluss. Einverstanden. Trotzdem muss er irgendwo sein. Ich glaube erst, dass er tot ist, wenn ich seinen Leichnam vor mir habe.
Das ging dem Polizeichef Savary durch den Kopf, der bis jetzt noch nicht einmal Zeit gefunden hatte, um seinen verlorenen Freund Henri Foche zu trauern – und der wegen dieses »verfluchten Fiaskos« vielleicht von seinem Posten würde zurücktreten müssen.
Er rief auf seinem Handy die Küstenwache an und bat um einen weiteren Hubschrauber, einen mit dem neuesten Tauchsonar, von dem er wusste, dass sie ihn irgendwo hatten.
»Monsieur,
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