Mission auf Leben und Tod
sich zu verausgaben.«
Mack zog zwei Baseball-Handschuhe aus einem Korb in der Ecke der Veranda, griff sich einige Bälle und ging auf den Rasen. Tommy kam nach draußen gerannt, streifte seinen Handschuh über und ging zu seiner üblichen Stelle, fünf Meter von seinem Dad entfernt.
»Okay, Großer«, sagte Mack. »Dann zeig mal, was du drauf hast.«
Tommy holte aus und warf den Ball direkt auf die rechte Schulter seines Vaters. Mack ließ den linken Arm vorschnellen und schnappte sich den Ball. Er warf ihn leicht und sauber zurück. Tommy fing ihn und antwortete mit einem hohen Ball. Mack reckte den Arm und pflückte ihn herunter.
»Du dachtest, du könntest mich austricksen, was?«, sagte Mack und warf gleichzeitig den Ball auf niedriger Höhe zurück.
Der Junge packte ihn sich, sah auf und sagte: »Ich krieg dich, Daddy.« Und damit holte er weit aus und schleuderte mit aller Kraft den Ball. Anne, die auf der Veranda stand, hörte ihn in Macks Handschuh ploppen.
»Hey, du hast einen ziemlich guten Arm«, sagte Mack. »Und du hast geübt, weil du mich schlagen willst.«
Wieder lachte Tommy. »Ich schlage dich, Daddy«, sagte er und ging in die Hocke. Diesmal warf Mack nach rechts, in mittlerer Höhe, aber so, dass Tommy sich strecken musste. Tommy machte sich lang, fing den Ball, fiel dabei aber hintenüber und landete unbeholfen im Gras.
Anne wirkte besorgt und kam sofort zu ihm. Tommy rappelte sich hoch, sah zu seinem Vater und sagte: »Ich will nicht mehr spielen.«
»Ich dachte, du willst mich schlagen«, sagte Mack. »Komm schon, Sportsfreund, das kannst du besser.«
Vater und Sohn starrten sich nur an. Der Ball war nicht so hart und nicht so unplatziert geworfen. Tommy hatte mit seinen flinken Beinen und Armen schon Bälle gefangen, die einen Meter weiter entfernt gewesen waren. Aber das war mittlerweile ein halbes Jahr her, als alles noch anders gewesen war.
»Okay, Daddy«, sagte Tommy. »Spielen wir weiter. Manchmal bin ich nicht mehr so gut wie früher. Die weiten Bälle schaff ich nicht mehr.«
»Die wirst du dir wieder schnappen«, sagte Mack. »Jetzt bin ich wieder zu Hause, da werden wir mal richtig trainieren.«
Anne sah zu, wie sie weitere zehn Minuten den Ball hin und her warfen. Mack zielte immer auf Tommys Handschuh, und Tommy fing den Ball jedes Mal.
Kurz bevor sie aufhörten, griff Mack daneben, und der Junge sprang in die Luft. »Hab doch gesagt, dass ich dich kriege!«, rief er. »Ich krieg dich immer, Daddy!«
Mack hob ihn hoch. »Du bist doch mein Sportsfreund, Junge. Wirst du immer sein.«
Er trug Tommy nach drinnen, während Anne bereits den Wagen aus der Garage holte für die Fahrt ins Maine Coastal Hospital am Stadtrand von Bath. Anne saß am Steuer des Buick-Kombi und schlug die nördliche Richtung ein. Tommy schlief auf dem Rücksitz sofort ein.
Fünf Minuten vor zwölf trafen sie am Krankenhaus ein. Dr. Ryan erwartete sie bereits in seinem Sprechzimmer. Als sie eintraten, war noch eine Krankenschwester zugegen, die den kleinen Jungen an der Hand nahm und sagte: »Komm mal mit, Tommy, ich muss dir ein paar Sachen im Spielzimmer zeigen.« Sie führte ihn hinaus. Dr. Ryan wandte sich an Anne und ihren Mann. Er gab Mack, den er bislang nicht kennengelernt hatte, die Hand und begann umstandslos: »Ich habe leider keine guten Nachrichten für Sie. Uns liegen die Untersuchungsergebnisse vor. Es ist genau das, was ich befürchtet habe.«
»ALD?«, flüsterte Anne.
»Es bestehen kaum Zweifel«, erwiderte er. »Es sind sichtbare Schädigungen zu erkennen, dazu kommen Schwäche und Taubheit in den Gliedern, vor allem auf der rechten Körperhälfte.«
Er wandte sich an Mack. »Lieutenant Commander, diese Krankheit wurde in der Hölle erfunden. Wir können sie nicht heilen, in den meisten Fällen können wir noch nicht einmal den Krankheitsverlauf verlangsamen. Es hängt alles damit zusammen, dass Tommy im Gehirn keine überlangkettigen Fettsäuren abbauen kann. Die Krankheit kommt fast ausschließlich bei Jungen im Alter zwischen fünf und zehn vor.«
»Ist sie selten?«
»Sehr selten. Sie betrifft das sogenannte Myelin, eine fettreiche Membran, die die Nervenbahnen im zentralen und peripheren Nervensystem isoliert. Ohne Myelin können die Nerven keine Impulse weiterleiten. Tommys Myelin wird zerstört, und wir können nichts dagegen tun. Wir versuchen es – und wie wir es versuchen. Das National Institute of Neurological Disorders and Stroke ist sehr darum bemüht,
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