Mission Munroe - Die Touristin: Thriller (German Edition)
Aufgabe notwendig war –, dann wurde sie von einer gewissen Normalität, Vernunft, Zielorientierung gelenkt. Dann kamen die destruktiven Kräfte, die sie dazu anstachelten, mit ihrem Leben zu spielen, zur Ruhe.
Munroe nickte Logan einen behelmten Abschiedsgruß zu, entlockte der Maschine ein heulendes Kreischen und ließ sie vorwärtsschießen. Nach Hause zu kommen war immer möglich, aber wenn sie tatsächlich am Leben bleiben wollte, war es vielleicht nicht besonders schlau.
Am frühen Abend kehrte sie ins Hotel zurück. Sie hatte den Tag in einer Wellness-Einrichtung verbracht, hatte gebadet und geduscht, sich pflegen, kneten und schminken lassen. Sie hatte ihre Würde und ihre Weiblichkeit zurückgewonnen und jeden einzelnen Moment genossen.
Jetzt trug sie ein eng anliegendes Kleid, das ihre langen Beine und ihre Model-Maße zur Geltung brachte. Sie besaß eine androgyne Figur – jungenhaft, kantig und schmal – und durchquerte das Foyer mit sinnlichen Bewegungen, ein wenig aufreizend, im vollen Bewusstsein der verstohlenen Blicke der überwiegend männlichen Gäste.
… Was kann mich in meinem Jammer erquicken, mein Herz in mir ist krank …
Die Aufmerksamkeit gefiel ihr, und sie ließ sich Zeit.
… ich gräme und entsetze mich …
Jetzt, bei ihrer achten Rückkehr in die Vereinigten Staaten, nachdem jedes Mal ähnlich ablief und die Angstattacken in regelmäßigen Wogen anbrandeten, war es an der Zeit, sich eine Ablenkung zu suchen. Eine Herausforderung. Eine Beute.
Und die wohnte in Zimmer 319. Aber zunächst musste sie sich um das Geschäftliche kümmern. Munroe sah auf die Uhr. Kate wartete bestimmt schon.
Noch vor sechs Jahren war Kate Breeden Inhaberin einer gut gehenden Anwaltskanzlei in der Innenstadt von Austin gewesen, verheiratet und Mutter einer Tochter, die die Highschool besuchte. Sie besaß ein Achthunderttausend-Dollar-Haus, drei Luxusautos und unternahm Jahr für Jahr Reisen in die entlegensten Gegenden der Welt. Dann kam die hässliche Scheidung.
Das Haus, die Autos, die Feriendomizile und Wertanlagen wurden verkauft, und wie es das texanische Scheidungsrecht verlangte, wurden sämtliche Einkünfte einer zwanzigjährigen, ehelichen Gütergemeinschaft durch zwei geteilt. Die Tochter wollte lieber bei ihrem Vater bleiben, und so nahm Kate Breeden, was übrig geblieben war, steckte es in einen Investment-Fonds, packte ihren Krempel zusammen und zog nach Dallas, um dort ein neues Leben zu beginnen.
Sie lernten sich an der Southern Methodist University kennen. Breeden hatte dort ein Betriebswirtschaftsstudium begonnen, und Munroe war gerade im zweiten Studienjahr. Ihre Beziehung entwickelte sich zunächst als vorsichtiger Mutter-Tochter-Ersatz, zu einer Zeit, als Munroe sich noch mit ihrem Taufnamen Vanessa ansprechen ließ.
Als dann dieses ungewöhnliche Jobangebot auf den Tisch flatterte, das eine Unterbrechung ihres Studiums und eine Reise nach Marokko erforderlich machte, fragte sie Kate Breeden um Rat.
Die war mittlerweile Eigentümerin einer erfolgreichen Marketing- und Beratungsfirma. Außerdem betreute sie einige wenige, ausgewählte Mandanten auch in juristischen Fragen. Sie war Munroes Puffer zwischen den Erfordernissen des Alltagslebens und ihren Aufträgen geworden. Während der Monate und manchmal auch Jahre, die sie im Ausland zubrachte, bezahlte Breeden ihre Rechnungen, sorgte dafür, dass die Konten immer gedeckt waren, und leitete dringende Dinge an sie weiter. Breeden war herzlich, freundlich und absolut skrupellos. Sie würde jeden Menschen mit einem höflichen Lächeln über den Tisch ziehen – erst schön Honig um den Bart schmieren und dann bei lebendigem Leib verscharren –, und aus diesem Grund war Breeden eine Verbündete: Sie würde ihr nicht gefährlich werden.
Kate Breeden trug ihre wasserstoffblonden Haare schulterlang, die Stirnfransen umschmeichelten ihre mandelförmigen Augen. Munroe entdeckte sie an einem Tisch in der Ecke, wo sie einen Stapel Papiere durchsah und dabei an ihrem Rotwein nippte. Breeden blickte auf, erhob sich mit einem strahlenden Lächeln und ergriff freudig Munroes Hand. »Michael«, sagte sie mit der für sie typischen Atemlosigkeit. »Gut siehst du aus. Die Türkei hat dir gutgetan!«
»Wohl eher das Four Seasons in Dallas«, erwiderte Munroe und nahm Platz. »Aber in der Türkei habe ich mich auch sehr wohl gefühlt.«
»Bist du denn ganz fertig geworden?«
»Nur noch ein paar winzige Details, dann ist alles erledigt.«
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