Mission Munroe - Die Touristin: Thriller (German Edition)
atmete ein, langsam und beherrscht, richtete ihre ganze Konzentration auf den Bürgersteig auf der gegenüberliegenden Straßenseite.
Sie hatte mitgestoppt, während die Fahrzeugkolonne die Strecke vom Stadtteil Balgat bis zum Rand des Kizilay-Platzes zurückgelegt hatte. Jetzt stand sie regungslos im Schatten einer dunklen Nische, während die Personen, die sie im Visier hatte, aus ihren Autos stiegen und eine breite, flache Treppe hinunterschritten. Zwei Männer. Fünf Frauen. Vier Leibwächter. Nur noch wenige Minuten bis zum Eintreffen ihrer Zielperson.
Die Neonlichter, die sich in den Glasfassaden der Hochhäuser spiegelten, beleuchteten breite Straßen, auf denen zu später Stunde immer noch zahlreiche Menschen unterwegs waren. Sie gingen an ihr vorbei, schienen keine Notiz von ihr zu nehmen, sahen nicht, dass ihre Augen aus der Dunkelheit heraus jede Bewegung registrierten.
Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr.
Auf der anderen Straßenseite hielt ein Mercedes. Sie richtete sich kerzengerade auf und sah zu, wie eine einzelne Gestalt sich von der Rückbank schob. Lässig schritt der Mann zum Eingang, und als er nicht mehr zu sehen war, folgte sie ihm, ging die Treppe hinunter, die ins Anatolia führte, den privatesten aller Privatclubs, Ankaras Allerheiligstes, wo die Reichen und Mächtigen zusammensaßen und die Zahnräder der Demokratie schmierten.
Am Eingang zeigte sie die Visitenkarte vor, für die sie zwei Wochen lang Bestechungsgelder gezahlt und geheime Treffen arrangiert hatte.
Der Türsteher nickte und sagte: »Sir.«
Sie nickte ebenfalls, steckte ihm ein Geldbündel zu und trat ein, ließ sich von Rauch und lauter Musik umhüllen. Sie passierte die privaten Separees, schob sich an der Theke mit den zur Hälfte besetzten Hockern vorbei, betrat den Flur zu den Toiletten und stand schließlich vor einer Tür mit der Aufschrift » NUR FÜR PERSONAL «.
Dahinter befand sich ein Raum, kaum größer als ein Kleiderschrank. Dort legte sie den Armani-Anzug, die italienischen Schuhe und die anderen Insignien der Männlichkeit ab.
Bedauerlicherweise kannte die Kontaktperson, die ihr Zutritt verschafft hatte, sie nur als Mann, und das ausgerechnet am heutigen Abend, wo sie um jeden Preis zu einhundert Prozent Frau sein musste. Sie verwandelte ihre Bauchbinde zurück in ein figurbetontes Stretchkleid und schlüpfte in die zierlichen Sandalen, die sie dem Jackettsaum entnahm. Dann holte sie noch eine winzige Handtasche aus der Jacketttasche und betrat, nach einem kurzen, sichernden Blick in den Flur, die Damentoilette, um ihre Verwandlung mit ein wenig Schminke und einer Haarbürste zu vollenden.
Zurück im Saal sah sie die Leibwächter wie Leuchttürme aus der Menge ragen. Lässig schlenderte sie genau in deren Richtung. Vier Sekunden. Wie in Zeitlupe. Vier Sekunden direkter Augenkontakt mit der Zielperson und dann die leise Andeutung eines Lächelns, während sie den Blick abwandte und vorüberging.
Sie setzte sich ans Ende der Bar, alleine, das Gesicht von ihm ab-, den Körper ihm zugewandt. Bestellte sich etwas zu trinken. Spielte schüchtern mit dem Medaillon an ihrer Halskette herum. Wartete.
Dieser letzte Schritt noch, dann war ihr Auftrag erledigt.
Sie hatte mit zehn Minuten gerechnet, doch die Einladung kam schon nach drei. Der Leibwächter, der ihr die Nachricht überbrachte, begleitete sie an den Tisch, wo sie nach einer denkbar knappen Vorstellungsrunde, einem scheuen Lächeln und ein paar verstohlenen Blicken in ihre Rolle schlüpfte – auf der Suche, auf der Pirsch, auf der Jagd, alles hinter der Maske des blonden Dummchens.
Die Charade dauerte bis in die frühen Morgenstunden. Schließlich hatte sie alles, was sie wollte. Sie gab vor, müde zu sein, und verabschiedete sich.
Die Zielperson folgte ihr bis auf die Straße und bot ihr im Schein der Neonlampen an, sie nach Hause zu fahren. Lächelnd lehnte sie ab.
Er rief seinen Wagen, und als sie sich entfernen wollte, lief er ihr nach und packte sie am Arm.
Sie riss sich los. Sein Griff wurde fester, und sie holte tief Luft, zwang sich, zumindest äußerlich die Ruhe zu bewahren. Die Bilder auf ihrer Netzhaut verloren jede Farbe. Ihr Blick wanderte von seinem Gesicht zu seiner Halsschlagader – so leicht aufzuschlitzen –, zu seinem Nacken, der so zerbrechlich war, und wieder zurück. Sie hörte das Blut in ihren Ohren pochen und kämpfte gegen den Wunsch an, ihn einfach umzubringen.
Gegen jeden Instinkt lächelte sie weiter und
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