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Mission Walhalla

Mission Walhalla

Titel: Mission Walhalla Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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Invalidenstraße gehörte nämlich auf der Ostseite des Kanals zur DDR , und ein neuer VW -Bus voller Amerikaner – ganz zu schweigen von einem Krankenwagen mit bewaffneten Männern – hätte bei den Grepos garantiert unliebsame Aufmerksamkeit geweckt.
    «Biegen Sie nach rechts auf die Alt-Moabit und dann die Rathenower hoch bis zur Quitzow. Wir nehmen die Föhrer Brücke über den Kanal. Falls sie noch existiert. Ich war lange nicht mehr da. Jedes Mal, wenn ich nach Berlin komme, sieht die Stadt anders aus.»
    Scheuer rief den beiden hinten im Wagen zu: «Seht ihr jetzt, weshalb Gunther vorne sitzt und nicht ihr? Weil er sich hier auskennt und uns sagen kann, wo’s langgeht.»
    «Ich würde ihn gern mal spüren lassen, wo’s langgeht», knurrte Hamer.
    Scheuer grinste mich an. «Er kann Sie nicht leiden», sagte er.
    «Nicht schlimm», erwiderte ich. «Das beruht auf Gegenseitigkeit.»
    Auf der Rathenower Straße passierten wir ein großes, sternförmiges Gebäude, das düster zu unserer Linken lag.
    «Was ist das?», fragte er.
    «Das Gefängnis Moabit», sagte ich.
    «Und der andere Bau?»
    Er meinte das prächtige, halbzerstörte Gebäude gleich neben dem Gefängnis, das sich fast hundert Meter entlang der Turmstraße erstreckte wie eine Festung.
    «Das?» Ich lächelte. «In dem Gebäude hat die ganze miese Geschichte angefangen. Das ist das Kriminalgericht. Im Mai 1931 war die ganze Straße voll mit Polizeiwagen. Und es wimmelte nur so von Polente, im Gebäude und davor. Aber vor allem davor, weil sich da die meisten SA -Leute versammelt hatten. Mindestens zweitausend. Vielleicht mehr. Und ein Pulk von Pressevertretern belagerte den Haupteingang.»
    «Dann war da wohl ein wichtiger Prozess im Gange, was?»
    «Der Edenpalast-Prozess», sagte ich. «Eigentlich ein Routinefall. 1931 hatten vier Nazis in einem Tanzlokal versucht, ein paar Kommunisten umzubringen. Der Grund für das Massenaufgebot an Polizei und Nazis war aber einer der vorgeladenen Zeugen. Es war nämlich kein Geringerer als Adolf Hitler, und der Ankläger wollte nachweisen, dass Hitler die böse Triebkraft hinter dem Nazi-Terror gegen die Kommunisten war. Hitler beteuerte in der Öffentlichkeit stets, sich strikt ans Gesetz zu halten, und der Anwalt wollte ihn als Lügner entlarven.»
    «Waren Sie dabei?»
    «Ja. Allerdings interessierte ich mich mehr für die vier Angeklagten und war neugierig, ob sie vielleicht irgendwas über einen anderen Mordfall sagen würden, in dem ich ermittelte. Aber ich hab ihn gesehen, ja. Wer hätte gedacht, dass Hitler danach nie wieder vor einem Gericht erscheinen würde, um sich für seine Verbrechen zu verantworten? Er trug einen blauen Anzug und spielte den braven Bürger, verstrickte sich aber im Laufe der Befragung zunehmend in Widersprüche. Es sei der SA verboten, Gewalt auszuüben oder auch nur zu provozieren, behauptete er. Viele seiner Antworten lösten Gelächter in den Zuschauerreihen aus. Und schließlich, nach ungefähr einer Stunde im Zeugenstand, verlor Hitler völlig die Beherrschung und fing an, den Anwalt, der ihn vernahm, wüst zu beschimpfen. Der zufälligerweise Jude war.
    In deutschen Gerichten findet die Vereidigung
nach
einer Aussage statt, nicht davor. Und als Hitler schwor, die Wahrheit gesagt zu haben – dass er mit legalen demokratischen Methoden an die Macht kommen wolle –, hat ihm das kaum einer geglaubt. Ich jedenfalls nicht. Für alle Anwesenden lag auf der Hand, dass er die SA -Gewalt geschürt hatte, und ich glaube, ab da stand für mich fest, dass ich kein Nazi werden und einen so verlogenen Halunken wie Hitler unterstützen könnte.»
    «Sie meinten vorhin, in diesem Gebäude habe eine Geschichte angefangen. Welche?»
    «Mielkes Geschichte. Genauer gesagt, meine Mielke-Geschichte. Wenn ich an dem Tag nicht im Kriminalgericht gewesen wäre, wäre ich vielleicht nicht auf die Idee gekommen, am nächsten Tag ins Gefängnis zu fahren, um einen der vier SA -Angeklagten zu befragen. Und wenn ich das nicht getan hätte, wäre mir ein Trupp SA -Männer entgangen, den ich aus einer Kneipe in Charlottenburg kommen sah. Ich wäre ihnen nicht gefolgt, und dann hätte ich Erich Mielke nie zu Gesicht bekommen oder ihm das Leben gerettet. Das meinte ich damit.»
    «Wenn man bedenkt, was danach alles passiert ist», sagte Hamer, «hätten Sie ihm lieber nicht helfen sollen. Ohne ihn wäre die Welt besser dran gewesen.»
    «Aber dann hätte ich nie das Vergnügen Ihrer Bekanntschaft

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