Misstrauen Sie dem unverwechselbaren Geschmack
die Gegend noch weitgehend unerschlossen war. Mein Vater hatte eine Anstellung im mittleren Management einer großen, florierenden Baufirma. Das Unternehmen war am Bau des Atomforschungslabors in Oak Ridge beteiligt, und paranoide Legenden über das »Sicherheitsaufgebot« in Oak Ridge waren Teil unserer Familienkultur. Wir hatten eine Zigarrenkiste voller merkwürdiger ID-Karten, die mein Vater dort getragen hatte. Aber die Arbeit in Oak Ridge war offenbar von Erfolg gekrönt, nicht nur für ihn, sondern auch für seine Firma. Nach dem Krieg begann sie im Süden der USA ganze Vorstädte aus roten Backsteinhäusern im Levittown-Stil aus dem Boden zu stampfen. In der Folge zogen wir häufig um, und mein Vater war oft unterwegs, um neue Projekte an Land zu ziehen.
Es war die Welt des frühen Fernsehens, eines neuen Oldsmobile, das Ähnlichkeit mit einer Rakete hatte, und des Science-Fiction-Spielzeugs.Irgendwann unternahm mein Vater eine letzte Geschäftsreise, von der er nicht mehr zurückkehrte. Er erstickte an etwas in einem Restaurant – das Heimlich-Manöver war noch nicht erfunden –, und alles wurde anders.
Meine Mutter zog mit mir in die Kleinstadt im Südwesten Virginias zurück, aus der sie und mein Vater ursprünglich stammten – ein Ort, wo die Moderne zwar bis zu einem gewissen Grad schon Einzug gehalten hatte, aber auf großes Misstrauen stieß. Neben dem Tod meines Vaters und dem damit verbundenen Trauma war es höchstwahrscheinlich diese abrupte Verbannung in die Vergangenheit, die meine Begeisterung für die Science Fiction auslöste.
Ich wurde schließlich zu dem introvertierten Bücherwurm, der in den Biografien der meisten amerikanischen Science-Fiction-Autoren beschrieben wird, füllte zwanghaft Regale mit Taschenbüchern und Zeitschriften im Digest-Format und träumte davon, eines Tages selbst Schriftsteller zu werden.
Mit fünfzehn traf meine chronisch unter Angstzuständen und Depressionen leidende Mutter eine außergewöhnlich vernünftige Entscheidung: Sie schickte mich auf eine Privatschule für Jungen in Arizona. Einer blinzelnden Larve gleich wurde ich aus meinem Kinderzimmer mit den überfüllten Sperrholzregalen gerissen und sah mich gezwungen, eine neue Persönlichkeit zu entwickeln, die weniger lovecraftsche Züge trug. Großen Anteil daran hatte eine literarische Entdeckung, die ich etwa ein Jahr vorher zufällig gemacht hatte.
In meiner rastlosen Suche nach mehr und / oder besserer Science Fiction stieß ich auf einen Autor namens Burroughs – und zwar nicht Edgar Rice, sondern William S. Und mit ihm kamen seine Kollegen Kerouac und Ginsberg. Ich las ihre Bücher – oder versuchte es zumindest. Ich hatte keinen Schimmer, wovon sie eigentlich schrieben. Aber ich verspürte diesen Drang, diese Sehnsucht – auch wenn ich nicht genau wusste, wonach.Im Laufe der nächsten Jahre wurde ich in meiner Heimatstadt in Virginia zum »Patient Null« der Gegenkultur. Damals ahnte ich noch nicht, dass Millionen andere Babyboomer, Wechselbälger allesamt, dieselbe Metamorphose durchliefen.
In Arizona ließ ich, wie viele andere Dinge aus meiner Kindheit, auch die Science Fiction hinter mir. Ich steckte mitten in der Pubertät und probierte verschiedene Persönlichkeiten aus, mit der Kompromisslosigkeit und Unbeholfenheit, wie es in diesem Alter üblich ist. Tatsächlich machte ich auch einige Fortschritte, bis plötzlich meine Mutter starb. Sie fiel buchstäblich tot um – ein Ereignis, mit dem ich insgeheim seit meinem sechsten Lebensjahr gerechnet hatte.
Vermutlich muss nicht erwähnt werden, dass es danach eine Zeitlang für mich nicht so glatt lief. Ich verließ die Schule ohne Abschluss und schloss mich dem damaligen »Kinderkreuzzug« an. Bis ich mich schließlich in Kanada wiederfand, einem Land, über das ich so gut wie nichts wusste. Mein Ziel war es, der Einberufung durch die Armee zu entgehen (was sich als leichter erwies als gedacht, weil die Armee auf die Einberufung verzichtete), mich irgendwie über Wasser zu halten und dabei zumindest äußerlich den Eindruck zu erwecken, als würde ich den Sommer der Liebe genießen. Seither lebe ich hier in Kanada.
Den Höhepunkt der Sechziger erlebte ich in Toronto, sieht man von einem kurzen aber turbulenten Ausflug nach Washington D. C. ab. Ich lernte ein Mädchen aus Vancouver kennen und unternahm mit ihr eine Reise nach Europa (wo wir vorwiegend Länder mit faschistischer Regierung und günstigem Umtauschkurs besuchten). Danach
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