Misstrauen Sie dem unverwechselbaren Geschmack
heirateten wir und zogen nach British Columbia. Das heiße Fett der Sechziger begann langsam zu erstarren, während ich nach einem chaotischen Studium an der UBC einen Bachelor-Abschluss in Englisch machte.
Als ich 1977 kurz davor stand, Vater zu werden, mich aber immer noch nicht dazu aufraffen konnte, eine irgendwie geartete »Berufslaufbahn« einzuschlagen, fiel mir die Science Fiction wieder ein, die mich als Zwölfjährigen so begeistert hatte. Zur gleichen Zeit waren aus New York und London seltsame Geräusche zu hören. Punk war für mich die Detonation einer Bombe mit Zeitzünder, die sich ein Jahrzehnt vorher in die Flanke der Gesellschaft gebohrt hatte. Ich betrachtete es irgendwie als Zeichen; damals begann ich zu schreiben.
Und habe seither nicht damit aufgehört.
Googelt man meinen Namen, erfährt man unter Umständen, dass ich all meine Texte auf einer mechanischen Schreibmaschine verfasse. Zwar entspricht das schon seit 1985 nicht mehr der Wahrheit, aber es ist einfach ein so guter Aufhänger für faule Journalisten, dass ich wohl noch den Rest meines Lebens davon lesen werde. Auf einer Schreibmaschine habe ich deshalb geschrieben, weil das 1977 nun mal so üblich war, und ich damals eine günstig hatte auftreiben können. Anfangs mied ich tatsächlich das Internet, aber nur so lange, bis es sich zu einer so wunderbaren Möglichkeit der Zeitverschwendung entwickelte, dass ich ihm nicht länger widerstehen konnte. Heute verbringe ich dort vermutlich genauso viel Zeit wie an anderen Orten, wobei ich statistisch gesehen eine Besonderheit darstelle, weil ich höchstens zwölf Stunden im Jahr fernsehe, und das seit meinem fünfzehnten Lebensjahr. (Ein Mensch, der nicht fernsieht, ist eine noch seltenere Spezies als jemand ohne E-Mail-Adresse.) Ich weiß nicht, wie es dazu kam. Jedenfalls war es keine bewusste Entscheidung.
Eine E-Mail-Adresse habe ich zwar, aber die werde ich Ihnen nicht verraten. Ich bin nur einer, und Sie sind viele. Und selbst wenn es auf der ganzen Welt nur 27 von Ihnen gäbe, wären das immer noch zu viele. Schließlich möchte ich auch noch ein Leben haben, Zeit verschwenden und schreiben.
Vermutlich habe ich genauso viel Zeit mit dem Schreiben verbracht wie der Durchschnittsmensch in meinem Alter vor dem Fernseher – möglicherweise liegt darin das ganze Geheimnis.
----
Dieser Text entstand, als Penguin USA für mich eine Autorenwebsite einrichtete. Der Vorschlag, für die Seite einen autobiografischen Text zu schreiben, kam mit ziemlicher Sicherheit von ihnen, löste zum Glück aber nicht denselben Adrenalinschub aus wie ein Auftrag von einem großen Publikationsmedium.
Inzwischen verbringe ich mindestens genauso viel Zeit im Internet, wie der Durchschnittsmensch früher fernsah. Das Fernsehen im klassischen Sinne meide ich dagegen immer noch.
----
Addicted to Noise
März 2000
Die Zusammenarbeit zweier Künstler ist eine äußerst merkwürdige Sache. Betreiben sie sie konsequent, kann es passieren, dass sie gemeinsam eine dritte Partei schaffen, ein Alter Ego, das zu Dingen in der Lage ist, von denen beide allein nur haben träumen können. »Wer«, fragt eine der körperlosen Stimmen in den vielschichtigen Skizzenbüchern von Mr Burroughs, »ist der Dritte, der neben uns geht?«
Meine Theorie über Walter Becker und Donald Fagen ist folgende: Ihr dritter Mann, ihr Alter Ego, Mistah Steely Dan persönlich, stellte für sie beide ein so problematisches Geschöpf dar, ein so verführerischer und eigenwilliger Wirbel aus Ektoplasma, dass sie ihm zwanzig Jahre lang lieber fernblieben.
Im atemporalen Reich der elektronischen Popkultur lebt er natürlich fort. Und ich musste schon oft die Stirn runzeln, wenn ich einen Einkaufswagen durch die Reihen eines Safeway-Supermarktes schob und ihn von Cuervo Gold, Kokain und 19-jährigen Mädchen (in den Armen eines älteren Mannes) singen hörte und von den spirituellen Problemen, die so etwas mit sich bringt. Dann schaue ich mich in der Tiefkühlabteilung um und frage mich: »Bin ich der Einzige, der das hört?« Haben die Leute, die die Hintergrundmusik in diesen Supermärkten zusammenstellen, überhaupt eine Ahnung, worum es in dem Song geht? Allein aus diesem Grund war ich schon immer der Meinung, dass die Musik von Steely Dan zu den subversivsten Werken der Popmusik des ausgehenden 20. Jahrhunderts gehört.
Es gibt da die Geschichte über einen Pechvogel, der in dem Labor in Chicago, wo die Vorbereitungen für den Bau der
Weitere Kostenlose Bücher