Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mister Aufziehvogel

Mister Aufziehvogel

Titel: Mister Aufziehvogel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
Vom Netzwerk:
Ich hatte es auf jede nur erdenkliche Weise probiert, aber ihr Entschluß stand fest. Wie ein Felsblock.« Ushikawa hielt inne, um mir Gelegenheit zu einem Kommentar zu geben, aber ich sagte nichts.
    »Trotzdem konnte ich nicht einfach ihre Weigerung hinnehmen und den Rückzug antreten. Wenn ich damit anfangen würde, könnte ich mich bei Dr. Wataya auf was gefaßt machen! Die andere Seite kann ein Felsblock oder eine Wand sein, aber früher oder später finde ich den einen klitzekleinen möglichen Kompromiß. Das ist unser Job: diesen möglichen Kompromiß zu finden. Wenn die anderen Ihnen den Kühlschrank nicht verkaufen wollen, dann bringen Sie sie dazu, Ihnen zumindest ein bißchen Eis zu verkaufen. Also hab ich mir das Gehirn zermartert und nach einem Weg gesucht, die Sache irgendwie doch durchzuziehen. Das macht uns ja erst zu Menschen, sag ich mir immer - die Fähigkeit, auf eine Million verschiedener Einfälle zu kommen. Und so ist dem beschränkten Ushikawa ganz plötzlich auch eine gute Idee eingefallen: wie wenn die Wolken plötzlich aufreißen und ein Stern hindurchscheint. ›Das ist es!‹ hab ich mir gesagt. ›Warum können wir nicht ein Bildschirmgespräch organisieren?‹ Sie wissen schon: über die Tastatur Worte auf den anderen Bildschirm schreiben. Sie können doch so was, Herr Okada, oder?«
    In der Kanzlei hatte ich oft am Computer gearbeitet - Präzedenzfälle recherchiert, Informationen für Klienten ausfindig gemacht, per E-Mail korrespondiert. Und auch Kumiko hatte bei ihrer Arbeit einen Computer benutzt. Die Zeitschrift, die sie redaktionell betreute, besaß umfangreiche Datenbanken mit Rezepten und Nährstoffanalysen. »Das würde nicht mit jedem x-beliebigen PC funktionieren«, fuhr Ushikawa fort, »aber mit unserem Rechner und dem, den Sie da haben, müßte eine ziemlich flotte Übertragungsgeschwindigkeit zu erreichen sein. Frau Kumiko sagt, auf die Art wäre sie bereit, sich mit Ihnen zu unterhalten. Zu größeren Zugeständnissen konnte ich sie nicht bewegen. Botschaften in Echtzeitmodus auszutauschen wäre aber fast dasselbe, wie miteinander zu reden. Das ist der äußerste und einzige Kompromiß, den ich herausschlagen konnte. Das nenne ich wirklich, Weisheit aus einem Affen wringen. Was sagen Sie dazu? Vielleicht reißt die Idee Sie nicht gerade vom Hocker, aber ich mußte mir buchstäblich das Gehirn ausquetschen, um drauf zu kommen. Ich kann Ihnen sagen - ist schon harte Arbeit, mit einem Gehirn, das man nicht mal hat, so angestrengt zu denken!«
    Schweigend wechselte ich den Hörer in die linke Hand. »Hallo? Herr Okada? Hören Sie mir zu?«
    »Ich höre Ihnen zu«, sagte ich.
    »Also schön: Das einzige, was ich von Ihnen bräuchte, ist das Paßwort, um in Ihren Rechner reinzukommen. Dann kann ich ein Gespräch zwischen Ihnen und Frau Kumiko in die Wege leiten. Was sagen Sie dazu?«
    »Ich würde sagen, dem stehen ein paar praktische Probleme im Weg.«
    »Ach ja? Und die wären?«
    »Also zunächst einmal, wie kann ich sicher sein, daß der Benutzer am anderen Ende wirklich Kumiko ist? Wenn man sich über den Monitor unterhält, kann man weder seinen Gesprächspartner sehen noch dessen Stimme hören. Es könnte ebensogut jemand anders an der Tastatur sitzen und behaupten, er sei Kumiko.«
    »Ich verstehe, was Sie meinen«, sagte Ushikawa beeindruckt. »Das hatte ich nicht bedacht. Aber ich bin sicher, daß sich da irgend etwas machen ließe. Ich möchte Ihnen bestimmt nicht schmeicheln, aber es ist gut, an alles mit einer gewissen Skepsis anzugehen, seine Zweifel zu haben. ›Ich zweifle, also bin ich.‹ Also schön, wie wär’s dann damit: Als allererstes stellen Sie eine Frage, die nur Frau Kumiko beantworten könnte. Ich meine, Sie haben mehrere Jahre lang als Mann und Frau zusammengelebt; da muß es doch ein paar Dinge geben, die nur Sie beide wissen können.«
    Ushikawas Vorschlag klang vernünftig. »Das ginge wahrscheinlich«, sagte ich, »aber ich kenne das Paßwort nicht. Ich hab diesen Rechner kein einziges Mal angerührt.«
     
    Muskat hatte mir einmal erzählt, daß Zimt jeden Quadratzentimeter Speicher seines Computers nach seinen eigenen Vorstellungen konfiguriert hatte. Er hatte eine komplexe Datenbank erstellt und sie durch ein geheimes Kennwort und eine Reihe weiterer geschickt eingerichteter Schranken vor jedem unbefugten Zugriff gesichert. Wenn er die Finger auf der Tastatur hatte, war Zimt der absolute Herrscher über dieses dreidimensionale

Weitere Kostenlose Bücher