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Mister Aufziehvogel

Mister Aufziehvogel

Titel: Mister Aufziehvogel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Nein; Moment mal; das ist nicht fair. Sie haben sich das Mal nicht absichtlich zugelegt. Vielleicht sollte ich besser sagen, daß Sie auch ohne das Mal gut genug für mich sind. Ist es das? Nein, das trifft die Sache überhaupt nicht.
    Jetzt kommt, was ich vermute, Mister Aufziehvogel. Dieses Mal schenkt Ihnen vielleicht bald etwas Wichtiges. Aber gleichzeitig raubt es Ihnen auch bestimmt etwas. Irgendwie so eine Art von Tauschgeschäft. Und wenn das so weitergeht, daß jeder Ihnen was wegnimmt, dann nutzen Sie sich ab und werden immer weniger, bis schließlich nichts mehr von Ihnen übrigbleibt. Und deswegen, ich weiß nicht … was ich eigentlich sagen will, ist, daß sich für mich nichts ändern würde, wenn Sie diese Sache nicht hätten.
    Manchmal denk ich, daß ich hier jeden Tag sitze und Perücken mache, liegt daran, daß ich damals Ihr Mal geküßt habe. Weil ich das damals getan habe, hab ich mich entschlossen, von da wegzuziehen, so weit wie möglich von Ihnen wegzukommen. Es ist mir klar, daß ich Ihnen damit vielleicht weh tu, daß ich das sage, aber ich glaub, es wirklich so. Trotzdem war das gleichzeitig auch der Grund, warum ich’s zu guter Letzt geschafft habe, den Ort zu finden, wo ich hingehöre. Deswegen bin ich Ihnen in gewissem Sinne dankbar, Mister Aufziehvogel. Ist aber wohl kein besonderes Vergnügen, wenn einem jemand » in gewissem Sinne « dankbar ist, wie?
     
    So, Mister Aufziehvogel, jetzt habe ich das Gefühl, daß ich so ziemlich alles gesagt hab, was ich Ihnen zu sagen hatte. Es ist fast vier. Um halb acht muß ich aufstehen, also schaffe ich es vielleicht noch, drei Stunden-und-ein-bißchen Schlaf zu bekommen. Ich hoffe, ich kann gleich einschlafen. Jedenfalls mache ich für heute hier Schluß. Ade, Mister Aufziehvogel. Sagen Sie bitte ein kleines Gebet, damit ich einschlafen kann.

19
    D AS UNTERIRDISCHE LABYRINTH
    ZIMTS ZWEI TÜREN
     
    »In dem Haus gibt’s einen Computer, nicht wahr, Herr Okada? Ich weiß allerdings nicht, wer ihn benutzt«, sagte Ushikawa.
    Es war neun Uhr abends, und ich saß am Küchentisch, den Telefonhörer am Ohr.
    »Gibt’s«, sagte ich und ließ es dabei bewenden.
    Ushikawa schniefte. »Das hab ich im Zuge meiner üblichen Schnüffeleien herausbekommen«, sagte er. »Natürlich ziehe ich aus der Tatsache, daß Sie da einen Computer haben, keinerlei Folgerungen oder Schlüsse. Heutzutage braucht jeder, der auch nur entfernt mit dem Kopf arbeitet, einen Computer. Das ist nicht weiter merkwürdig.
    Aber um’s kurz zu machen, mir ist irgendwie der Einfall gekommen, daß es praktisch wäre, wenn ich mich über den Computer mit Ihnen in Verbindung setzen könnte. Also hab ich mir die Sache näher angeschaut, aber verdammt, das ist ein ganzes Stück komplizierter, als ich es mir vorgestellt hatte. Über eine normale Telefonnummer läßt sich die Verbindung nicht herstellen. Und man braucht ein besonderes Paßwort, um anschließend reinzukommen. Kein Paßwort, und die Tür bleibt zu. Damit war die Sache für mich gestorben.« Ich blieb stumm.
    »Verstehen Sie mich jetzt bitte nicht falsch, Herr Okada. Ich versuch bestimmt nicht, mich in Ihren Rechner einzuschleichen und da drin rumzuspielen. Ich habe nichts derartiges vor. Bei den ganzen Sicherungen, die Sie da eingebaut haben, könnte ich sowieso nie im Leben irgendwelche Daten rausholen - selbst wenn ich wollte. Nein, darum ist es mir nie gegangen. Ich wollte lediglich versuchen, ein Gespräch zwischen Ihnen und Frau Kumiko zu arrangieren. Sie wissen doch, ich hatte Ihnen versprochen, daß ich mein Bestes tun würde, um Ihnen ein Gespräch unter vier Augen mit ihr zu ermöglichen. Es ist lang her, daß sie Ihr Haus verlassen hat, und es wäre nicht gut, die Dinge weiter so in der Schwebe zu lassen. So wie die Sache jetzt aussieht, wird Ihr Leben wahrscheinlich nur immer verrückter und verworrener werden. Es ist immer besser, wenn man sich zusammensetzt und offen über alles redet. Andernfalls können leicht Mißverständnisse entstehen, und Mißverständnisse machen alle Beteiligten unglücklich … Wie auch immer, in dem Sinne hab ich jedenfalls auf Frau Kumiko eingeredet. Ich habe alles getan, was in meiner Macht stand.
    Aber ich habe es einfach nicht geschafft, sie umzustimmen. Sie hat immer wieder erklärt, daß sie nicht mit Ihnen reden will - nicht einmal am Telefon (denn ein persönliches Treffen kam für sie überhaupt nicht in Frage). Nicht einmal am Telefon! Ich war mit meinem Latein am Ende.

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