Mister Aufziehvogel
Fehlermeldung aus:
Falsches Paßwort.
Geben Sie binnen zehn Sekunden das Paßwort ein.
Auf dem Bildschirm begann der Countdown. Ich drückte auf die Shift-Taste und gab noch einmal dieselben Buchstaben ein:
ZOO
Wieder wurde mir der Zugang verweigert:
Falsches Paßwort.
Geben Sie binnen zehn Sekunden das richtige Paßwort ein. Bei nochmaliger falscher Eingabe erfolgt automatische Zugangsverweigerung.
Wieder begann auf dem Bildschirm der Countdown. Diesmal verwendete ich nur Kleinbuchstaben. Es war meine letzte Chance.
zoo
Anstelle einer Fehlermeldung erschien jetzt ein Menü mit der Aufforderung:
Wählen Sie eines der folgenden Programme.
Ich atmete langsam aus und ließ dann den Cursor die lange Liste von Programmen hinunterlaufen, bis ich die Option »Kommunikations-Software« erreichte. Hier drückte ich die linke Maustaste.
Wählen Sie eines der folgenden Programme.
Ich wählte »Terminal/Chat-Modus« und klickte die Maustaste.
Geben Sie binnen zehn Sekunden das Paßwort ein.
Wenn Zimt an dieser Stelle eine neue Sicherung eingebaut hatte, dann mußte es sich um eine wichtige Verzweigung innerhalb des Systems handeln. Und wenn sie wichtig war, dann mußte auch das Paßwort ein wichtiger Begriff sein. Als zusätzliche Erschwerung verlangte das Eingabefeld diesmal nach einer sechs stelligen alphanumerischen Zeichenkette. Ich tippte:
U-Boot
Im Dialogfenster erschien die Meldung:
Falsches Paßwort.
Geben Sie binnen zehn Sekunden das richtige Paßwort ein. Der Countdown begann: 10, 9, 8 …
Ich probierte es wieder mit der Schreibweise, die auch beim erstenmal funktioniert hatte:
u-boot
Auf dem Bildschirm erschien ein neues Dialogfenster:
Geben Sie die Rufnummer ein.
Ich verschränkte die Arme und kostete kurz den Anblick dieser neuen Eingabeaufforderung aus. Nicht schlecht. Es war mir gelungen, zwei Türen in Zimts Labyrinth zu öffnen. Nein, ganz und gar nicht schlecht. Mit »zoo« und »u-boot« würde ich zurechtkommen. Ich klickte auf »Abbrechen«, kehrte zum Hauptmenü zurück und wählte »Beenden« ; es öffnete sich ein letztes Dialogfenster mit den Optionen:
Protokoll der Sitzung in Cache-Ordner speichern? J/N (J)
Wie Ushikawa mir eingeschärft hatte, wählte ich »N«, um zu vermeiden, daß irgendwelche Spuren meiner Anwesenheit zurückblieben. Der Bildschirm erlosch lautlos. Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn. Nachdem ich mich vergewissert hatte, daß Tastatur und Maus exakt so lagen, wie ich sie vorgefunden hatte, verließ ich den jetzt kalten Monitor.
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M USKATS GESCHICHTE
Muskat Akasaka brauchte mehrere Monate, um mir die Geschichte ihres Lebens zu erzählen. Es war eine lange, lange Geschichte voller Einschübe und Abschweifungen, und so ist das, was ich hier aufzeichne, eine stark vereinfachte (wenngleich nicht unbedingt kurze) Zusammenfassung des Ganzen. Ich kann nicht guten Gewissens behaupten, daß sie die Essenz von Muskats Geschichte enthält, aber zumindest sollte sie eine ungefähre Vorstellung von bestimmten wichtigen Ereignissen vermitteln, die sich in entscheidenden Phasen von Muskats Lebens zutrugen.
Bei ihrer Flucht aus der Mandschurei nach Japan hatten Muskat und ihre Mutter an Wertsachen nur den Schmuck mitnehmen können, den sie am Körper trugen. Von der Hafenstadt Sasebo fuhren sie nach Yokohama und kamen bei der Familie der Mutter unter, die dort seit langem eine Import-Export-Firma mit Hauptgeschäftsverbindungen nach Taiwan besaß. Vor dem Krieg ein florierendes Unternehmen, hatte die Firma, als Japan Taiwan verlor, den größten Teil seiner Kunden eingebüßt. Der Vater starb an einem Herzleiden, und der zweite Sohn der Familie, der in der Firma die Nummer zwei gewesen war, kam bei einem der allerletzten Luftangriffe des Krieges ums Leben. Der älteste Sohn gab seine Stelle als Lehrer auf und übernahm die Leitung des Familienunternehmens, aber das Leben eines Geschäftsmanns hatte ihm nie behagt, und es gelang ihm nicht, die Firma wieder in Schwung zu bringen. Die Familie besaß noch ihr behagliches Haus mit dem großen Garten, aber dort während der mageren Nachkriegsjahre als überzählige Esser leben zu müssen, war für Muskat und ihre Mutter alles andere als angenehm. Sie waren ständig bemüht, den Verwandten möglichst wenig zur Last zu fallen - nahmen sich bei den Mahlzeiten grundsätzlich weniger als die anderen, standen jeden Morgen früher als die anderen auf, übernahmen einen größeren Anteil an den Hausarbeiten.
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