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Mister Peanut

Mister Peanut

Titel: Mister Peanut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Ross
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ihr zu sagen, dachte er, seine Aussicht auf Erfolg größer denn je. Er musste sie wissen lassen, warum er hier war und warum sie mit ihm mitkommen sollte. Gerade wollte er auf sie zugehen, als er am hinteren Ende des Raumes Möbius entdeckte.
    Anstatt wegzulaufen, drehte er sich, als Pepin ihn entdeckt hatte, einfach um, lief in den Gang, der zur U-Bahn-Station an der 81. Straße führte, und duckte sich im letzten Augenblick nach links in die Herrentoilette weg. Vor der Tür stand ein gelbes Klappschild mit einem Strichmännchen, das auf glattem Boden ausrutschte, darunter eine Warnung in roter Schrift: V ORSICHT .
    Der gekachelte Raum stank nach altem Urin und war bis auf die beiden Männer leer.
    »Sie machen es mir unnötig schwer«, sagte Möbius.
    »Genau das ist meine Absicht.«
    So wie Alice’ Schüler war Möbius ganz in Schwarz gekleidet, nur dass seine eng anliegende Kleidung etwas sportlicher war. Das Under-Armour-Logo an seinem Halsausschnitt war dasselbe wie an jenem Top, das Alice am Vorabend getragen hatte, zwei ineinander verschränkte U s.
    »Aber Sie können mich nicht aufhalten«, sagte Möbius. »Das Ende steht fest. Ich folge lediglich dem festgelegten Vektor, der Flugbahn. Den haben Sie sich ausgedacht, erinnern Sie sich? Sie haben mich angerufen.«
    Pepin sah sich nach einer Waffe um. In der Ecke stand ein silberner Mülleimer, der wie eine Patronenhülse geformt war. Pepin wäre sich wie ein grunzender Höhlenbewohner vorgekommen, hätte er Möbius damit beworfen. »Und jetzt?«, fragte er.
    »Wir kämpfen, ich schlage Sie nieder, Sie kommen zu sich. Ihnen wird die Tragik des Ganzen in allen Einzelheiten bewusst. Dann passiert noch das eine oder andere, aber ich will nicht zu viel verraten.«
    Pepin trat vor, holte aus und landete einen Luftschlag. Nie im Leben hatte er jemanden geschlagen, und auch jetzt war wieder nichts daraus geworden. Möbius’ schwarze Augen funkelten, ohne zu blinzeln.
    Pepin schlug ein zweites Mal zu, verlor das Gleichgewicht, wurde vom eigenen Schwung nach vorn gerissen und stürzte zu Boden.
    Blitzschnell hatte Möbius seinen Hals umschlungen, sich auf seinen Rücken gesetzt und sein Gesicht an den weißen Fliesenboden gedrückt. »Schlafen Sie gut«, sagte er.
    Pepin spürte einen Schlag.
     
    Er wachte auf.
    Sein Nacken schmerzte, ebenso seine Stirn, und er wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war. Es gelang ihm, auf die Beine zu kommen und unsicher zur Tür hinaus und zum Pausenraum zurückzuwanken, aber Alice und ihre Klasse waren schon weg. Von neuer Panik ergriffen, lief Pepin die Treppe hinauf, durch die Große Galerie und den Warburgsaal, durch die Wälder Nordamerikas bis in den Milstein-Saal mit den Meereslebewesen, dessen Eingang von drei Haifischen bewacht wurde.
    Der gigantische Blauwal verschlug Pepin den letzten Atemrest. Das Modell hing unglaublicherweise unter der Decke, so als treibe der Wal im Ozean. In der meeresblauen Halle mit der blauen Glaskuppeldecke fühlte man sich wie tief unter Wasser, so als hätte man gerade das Deck der Nautilus betreten; er entdeckte Alice und ihre Klasse im tiefer gelegenen Teil des Saals, wo sie an den mit Halbedelsteinen verzierten Dioramen vorbeischlenderten. Im selben Moment vibrierte seine Hosentasche. Möbius hatte ihm offenbar ein Handy untergeschoben, das nun zu klingeln anfing.
    Er entdeckte ihn auf dem oberen Teil der Galerie.
    »Erinnern Sie sich an den Anfang?«
    »Wovon reden Sie?«
    »Von Ihrem Buch«, sagte Möbius. »›Dort unter dem Wrack lag Alice, und sie war sofort tot. Manchmal phantasierte David sich im Augenblick des Todes an ihre Seite. Er hielt ihre Hand, und sie wechselten ein paar letzte Worte, was insbesondere ihr den Abschied erleichterte.‹«
    »Nein!«, schrie Pepin und sprang die Treppe hinunter, das Handy am Ohr. »Bitte nicht!«
    Möbius hob die andere Hand, in der er einen kleinen, schwarzen Gegenstand hielt. »Bumm«, sagte er.
    Über dem Blauwal pufften zwei Rauchwölkchen auf, gleichzeitig erfolgte die Detonation – ein Doppelknall von der Lautstärke eines Schützenpanzers –, und alle Blicke wanderten zur Hallendecke. Aus irgendeinem Grund stand Alice als Einzige unter dem Wal, auch sie hatte die Augen nach oben gerichtet, und so kam es, dass sie Pepin nicht sah, der auf sie zusprang und sie beiseiteriss.
    Dem Moment der Dunkelheit folgte Totenstille, dann Stöhnen, Weinen und Schreien. Ein dichter Schneesturm aus Glasfasern und Polyurethanschaumflocken wirbelte durch

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