Mister Traumprinz (Doppelband)
bin schon sehr gespannt auf eure Briefe!«, ruft Frau Müller und lässt ihren Blick durch die Reihen gleiten. »Magst du anfangen, David?«
»Wenn Sie mich so fragen, lieber nicht«, sagt David und blättert lustlos in seinem Heft.
»Dann frage ich dich nicht, sondern sage: Bitte lies uns deine Hausaufgabe vor!« Die Müllerin grinst ihn an. »Also los, wir können es kaum erwarten!«
»Hello David Beckham« , beginnt David. »Sie wundern sich sicher, dass ich Ihnen schreibe, aber das ist nicht meine Schuld, sondern eine Hausaufgabe ! «
Die Ersten fangen an zu kichern und die Müllerin verdreht die Augen.
»Ich heiße zwar genauso wie Sie, David, aber damit hören die Gemeinsamkeiten auch schon auf. Sie spielen Fußball für Geld, ich bekomme dafür keinen müden Euro. Sie sind verheiratet, ich bin nicht einmal verliebt. Sie wissen wahrscheinlich gar nicht, wohin mit Ihrem ganzen Geld, ich krebse mit sehr wenig Taschengeld herum. Sie sehen also: Außer den Vornamen verbindet uns nichts. Trotzdem alles Gute! David Lehmann.«
»Auch wenn es sehr lustlos klingt, gar nicht mal so schlecht«, findet Frau Müller und macht sich eine Notiz in ihrem Notenheft. »Wer möchte noch einen Brief vorlesen? Amanda?«
Unsere Oberzicke streicht sich mit eingeübter Geste dieblonden Locken aus dem Gesicht, setzt sich gerade hin und räuspert sich.
»Hallo Frau Merkel ! « , beginnt sie und Frau Müller zieht erstaunt die Brauen hoch. »Ich weiß schon, dass Sie viel Zeit brauchen zum Regieren, aber ein paar Sachen sollten Sie trotz alledem nicht außer Acht lassen. Ich meine hiermit Ihre Kleidung. Diese kurzen Jäckchen, die Sie anziehen, sehen bei Ihrer Figur einfach schrecklich aus und es wäre wirklich gut, wenn Sie mal etwas abnehmen würden. Schließlich haben Sie ja viel mit Männern zu tun und die freuen sich bestimmt auch, wenn Sie etwas eleganter daherkämen. Mein Vorschlag für Sie: die Rohkostdiät. Meine Mutter macht die auch oft und die kann sich wirklich sehen lassen, auch wenn …«
»Danke, das genügt!«, unterbricht Frau Müllerin, die ebenfalls nicht gertenschlank ist, Amanda sichtlich genervt. »Ich betone nochmals, meine Liebe, das Leben besteht nicht nur aus Diäten und Kleidung! Aber vielen Dank!«
Ihr Blick geht auf die Suche nach einem neuen Opfer und ich würde mich am liebsten klitzeklein machen und verschwinden, aber sie hat mich schon im Visier. »Mira, lies du uns doch bitte noch deinen Brief vor!«
Wusste ich doch, dass es mich erwischen würde. »Hallo Herr Jauch« , fange ich an. »Es ist schon erstaunlich, wie viele Leute sich Ihre Quizsendungen anschauen. Sind Sie denn auch beteiligt an den ganzen Millionen, die da den Besitzer wechseln? Und ist es für Ihre Familie nicht blöd, dass die Sie nur auf dem Bildschirm zu sehen bekommen? Mich würde so etwas schon nerven.« Ich schaue von meinem Heft hoch. »Und dann ist mir nichts mehr eingefallen«, sage ich ehrlich.
»Trotzdem«, sagt Frau Müller aufgeräumt. »Gar nicht so schlecht. Die anderen Briefe lese ich mir in Ruhe zu Hause durch, also alle Hefte vor zu mir.« Sie kramt in einem Karton auf dem Pult herum und zieht ein Taschenbuch heraus. »Wie ihr ja wisst, wird Norbert Nobody oder Das Versprechen unsere nächste Schullektüre sein. Es wurde von Nicky Singer geschrieben. Ihr könnt die restliche Stunde schon mal darin schmökern. Am Montag nach den Ferien erwarte ich von euch, dass ihr die ersten drei Kapitel gelesen habt!«
Ich seufze. Wäre ja auch zu schön, wenn wir in den Ferien mal keine Aufgaben hätten.
Was passiert mit unerfüllten Träumen?
Fliegen sie weiter? Oder vertrocknen sie
und krümeln wie alte Kekse?
N achdem ich Putzi-Luzi nach der Schule wieder einmal ohne Erfolg durch den Park gezerrt habe, lasse ich mich frustriert auf mein Bett fallen und versuche, mir zum 32 958. Mal vorzustellen, wie es wäre, Fynn zu treffen. Ich schließe die Augen und sehe mich mit Mister Oberschnuckel durch den Park gehen. Erst nebeneinander, dann schon bald Hand in Hand, während die Hunde fröhlich miteinander herumtollen. Dann setzen wir uns auf eine Bank und Fynn legt seinen Arm um meine Schultern und sieht mir zärtlich in die Augen. Jedes Mal bleibt mir bei dieser Sequenz die Luft weg, denn seine Augen sind so schön, dass mir schwindlig wird. Warum träume ich nachts nie solche Sachen? Warum müssen meine wirklichen Träume immer so idiotisch sein und von der Schule handeln oder von Verfolgungsjagden? Heiß ich etwa Mira
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