Mistreß Branican
sicher, sagte Tom Marix. Uebrigens ist es auch möglich, daß diese Brunnen jetzt austrocknen, während wir, wenn wir gegen Westen ziehen, sicher den Okaoverfluß erreichen, wo der Oberst Warburton Halt machte. Da dies ein fließendes Gewässer ist, so können wir dort unsere Vorräthe mit Leichtigkeit erneuern, bevor wir das Thal des Fitz-Roy erreichen.
– Gut, Tom Marix, erwiderte Mrs. Branican, da es so sein muß, halten wir also die Richtung gegen Joanna-Spring ein.«
So geschah es auch, doch die Strapazen auf diesem Wege übertrafen alle bisher erduldeten Qualen. Obgleich man schon im dritten Sommermonat war, hielt die Hitze doch immer noch an und im Schatten waren vierzig Grad, worunter man aber die Nacht zu verstehen hat. Vergebens hätte man am Himmel ein Wölkchen, auf der sandigen Oberfläche der Erde einen Baum suchen können. Der Weg wurde unter einer erstickenden Hitze fortgesetzt; die Cisternen enthielten kaum noch das hinreichende Wasser für die Karawane, so daß man täglich mit Mühe zehn Meilen zurücklegte. Die Pflege, welche Dolly, Jane und Harriette, die selbst ganz schwach waren, den Kranken angedeihen ließen, brachte diesen keine Erleichterung. Man hätte rasten, in irgend einem Dorfe halten und abwarten müssen, bis die Temperatur gesunken wäre… dies Alles war nicht möglich. Am 17. März Nachmittags verloren sie wieder zwei Lastkameele, darunter gerade dasjenige, welches das Lösegeld für den Capitän John trug.
Tom Marix ließ das Gepäck auf zwei Reitthiere legen, wodurch wieder zwei Männer der Escorte absitzen mußten. Diese braven Leute murrten nicht und unterwarfen sich geduldig der neuen Vermehrung ihrer Leiden. Welch ein Unterschied zwischen ihnen und den Schwarzen, die fortwährend Ansprüche machten und über die Qualen klagten! War es nicht zu befürchten, daß diese Schwarzen eines Tages versucht sein könnten, die Karawane zu verlassen, vielleicht gar, nachdem sie dieselbe geplündert hatten?
Endlich konnte die Karawane neben einer Cisterne, deren Wasser sechs Fuß unter dem Sande war, rasten – es war am 19. März; obwohl man sich nur ungefähr fünf Meilen von Joanne-Spring entfernt befand, war es doch unmöglich, den Weg fortzusetzen. Die Menschen und Thiere waren zu sehr ermüdet.
Die Luft war schwer, man konnte kaum athmen. Der Himmel hatte jene eigenthümliche bleierne Farbe, wie man sie manchmal in den südlichen Gegenden vor einer elektrischen Entladung der Atmosphäre beobachten kann.
Tom Marix sah ängstlich gegen den Himmel, was Zach Fren nicht entging.
»Sie wittern etwas, sagte er zu Tom Marix, was Ihnen nicht paßt?
– Ja, Zach, erwiderte er, ich mache mich auf den Samum gefaßt, einen Wüstensturm, der furchtbar ist.
– Gut… also Wind… nun da wird es ja ohne Zweifel Wasser geben? bemerkte Zach Fren.
– Nein, nein, Zach, daraus wird eine noch schrecklichere Trockenheit entstehen; außerdem ist dieser Sturm in Centralaustralien zu Allem fähig.«
Diese Worte eines so erfahrenen Mannes mußten bei Mrs. Branican und ihren Gefährten die lebhafteste Unruhe erregen.
Es wurden nun alle möglichen Vorsichtsmaßregeln ergriffen. Es war neun Uhr Abends. Die Zelte wurden nicht in den Sanddünen aufgeschlagen, was auch in diesen erstickenden Nächten unnütz war. Jeder löschte seinen Durst an dem Wasser der Fäßchen und nahm dann seine Portion Speise entgegen, die Tom Marix vertheilte. Man dachte kaum daran, den Hunger zu stillen, nur frische Luft ersehnten Alle, wenn diese auch weniger dem Magen, als den Athmungsorganen zu Statten kam. Einige Stunden Schlaf hätte diesen Leuten wohler gethan, als einige Bissen Nahrung; aber es war unmöglich, in einer solch erstickenden Atmosphäre zu schlafen. Bis Mitternacht ereignete sich nichts Besonderes. Tom Marix, Zach Fren und Godfrey wachten und erhoben sich alle Augenblicke, um den Horizont im Norden zu beobachten. Während sich zuerst der prachtvollste Sternenhimmel über sie wölbte, wurde es gegen drei Uhr plötzlich dunkel.
»Auf!… Auf!… rief Tom Marix.
– Was giebt es? fragte Mrs. Branican, die rasch aufgestanden war. Neben ihr suchten Jane, Harriette, Godfrey und Zach Fren sich in der Dunkelheit auszukennen. Die Thiere, die auf dem Boden ausgestreckt lagen, erhoben den Kopf und stießen Rufe des Schreckens aus.
– Was giebt es denn? fragte Mrs. Branican von neuem.
– Der Samum kommt!« erwiderte Tom Marix.
Das waren die letzten Worte, welche gehört werden konnten. Heulend kam der Sturm
Weitere Kostenlose Bücher