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Mistreß Branican

Mistreß Branican

Titel: Mistreß Branican Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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konnten doch unter Umständen die Indas Tasmanien verlassen haben; vielleicht befanden sie sich auch auf dem Kriegspfade, denn es kommt selten vor, daß diese Stämme untereinander in Frieden leben. Sie hassen einander, und die kleinsten Streitigkeiten führen zu blutigen Kämpfen, denn der Krieg ist bei den Cannibalen mehr eine Jagd. In Wahrheit ist der Feind nicht der Feind, sondern er ist das Wild, und der Sieger verzehrt den Besiegten. Daher rühren denn auch diese Kämpfe und Verfolgungen, die die Eingebornen so oft zwingen, ihre Ansiedlungen zu verlassen. Es war deshalb von großem Interesse zu hören, ob die Indas ihre Plätze noch innehatten, was man aber nur von einem Schwarzen erfahren konnte, der von Nordwesten kam.
    Dahin gingen nun die Bemühungen des Tom Marix und Godfrey’s, der es sich trotz aller Ermahnungen Mrs. Branican’s nicht nehmen ließ, immer auf einige Meilen vorauszureiten. Wenn er kein Wasser sachte, so wollte er einen Eingebornen finden – bisher leider ohne Erfolg.
    Das Land war wüste. Welches menschliche Wesen hätte daher hier leben können?
    Am 9. März gegen neun Uhr früh hörte man endlich in kurzer Entfernung einen Ruf – einen Ruf, der aus folgenden zwei Wörtern bestand:
    »Coo-eeh!
    – Da sind Eingeborne in der Nähe! sagte Tom Marix.
    – Eingeborne? fragte Dolly.
    – Ja, Mistreß, denn sie haben die Gewohnheit, einander so zu rufen.
    – Versuchen wir, mit ihnen zusammenzutreffen!«
    Die Karawane näherte sich bis auf ungefähr hundert Schritte, und Godfrey signalisirte zwei Schwarze. Es war nicht leicht, sich ihrer zu bemächtigen, denn sie fliehen die Weißen schon von weitem. Die Schwarzen suchten sich auch hinter dem Gestrüpp einer Düne zu verstecken; der Escorte gelang es aber, sie zu umzingeln, und sie führte dieselben zu Mrs. Branican.
    Einer von ihnen war ungefähr fünfzig Jahre alt, der zweite, sein Sohn, etwa zwanzig. Beide begaben sich eben nach der Station an dem See Woods, die zu dem telegraphischen Netz gehört. Verschiedene Geschenke an Stoffen und besonders einige Pfund Tabak machten sie bald zutraulicher, und sie zeigten den Willen, auf die Fragen des Tom Marix zu antworten – Antworten, welche dieser sofort für Mrs. Branican, Godfrey, Zach Fren und ihre Gefährten übersetzte.
    Die Australier sagten zuerst, wohin sie gingen – was von geringem Interesse war.
    Aber Tom Marix fragte sie, woher sie kämen, was sehr wichtig war.
    »Wir kommen von dort her… weit… sehr weit her, erwiderte der Vater, indem er nach Nordwesten zeigte.
    – Von der Küste?
    – Nein… aus dem Innern.
    – Von Tasmanien?
    – Ja… vom Ufer des Fitz-Roy.«
    Wir wissen, daß gerade dies das Ziel der Karawane war.
    »Von welchem Stamme seid Ihr? fragte Tom Marix.
    – Von dem Stamme der Gursis.
    – Sind das Nomaden?«
    Der Schwarze schien diese Frage nicht zu verstehen.
    »Ist es ein Stamm, der von einem Lager zum anderen zieht? fragte Tom Marix wieder, ein Stamm, der kein Dorf hat?
    – Er bewohnt das Dorf der Gursis, antwortete der Sohn, der ziemlich verständig zu sein schien.
    – Liegt dieses Dorf am Fitz-Roy?
    – Ja, zehn große Tagereisen von der Stelle entfernt, wo er ins Meer mündet.«
    Der Fitz-Roy mündet in den Königsgolf, wo im Jahre 1883 die zweite Fahrt des »Dolly-Hope« endigte. Die zehn Tagereisen, welche der junge Mann da anführte, zeigten an, daß das Dorf der Gursis ungefähr hundert Meilen von der Küste entfernt lag.
    Das fand Godfrey auch auf der Karte, und zwar auf einer, welche den Lauf des Flusses Fitz-Roy in einer Strecke von zweihundertfünfzig Meilen von der Quelle bis in die öden Gegenden Tasmaniens wiedergiebt.
    »Kennt Ihr den Stamm der Indas?« fragte dann Tom Marix die Eingebornen.
    Als die Beiden diesen Namen hörten, leuchteten ihre Augen auf.
    »Gewiß, die Indas und die Gursis führen Krieg miteinander, bemerkte Tom Marix, indem er sich an Mrs. Branican wandte.
    – Es ist möglich, erwiderte Dolly, und sogar wahrscheinlich, daß diese Gursis wissen, wo sich jetzt die Indas befinden. Fragen Sie sie danach, Tom Marix, und versuchen Sie so genau wie möglich darüber Auskunft zu erhalten. Von dieser Antwort hängt vielleicht der Erfolg unserer Expedition ab.«
    Tom Marix stellte nun diese Frage und der Aeltere antwortete ohne Zögern, daß die Indas sich am Oberlaufe des Fitz-Roy befänden.
    »Wie weit sind sie von dem Dorfe der Gursis entfernt? fragte Tom Marix.
    – Ungefähr zwanzig Tagereisen gegen Sonnenaufgang,«

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