Mistreß Branican
war… Nein! Konnte sie es mitnehmen und es einer für so kleine Wesen gefährlichen Reise aussetzen?… Nein!… Sie wollte bei diesem Kinde bleiben und sein Leben schützen, nachdem sie es ihm ja gegeben, es mit Liebe und Zärtlichkeit pflegen, damit es dem heimkehrenden Vater gesund entgegenlächeln könne. Uebrigens sollte John nur sechs Monate fernbleiben, denn sobald der »Franklin« seine Ladung in Calcutta erneuert hätte, würde er wieder zurückkehren. Und geziemt es sich nicht, daß die Frau eines Seemannes sich an jene unabänderlichen Trennungen gewöhne, die der Stand des Gatten mit sich bringt?
Sie mußte daher nachgeben und Dolly gab auch nach. Aber nach der Abfahrt Johns wäre ihr das Leben öde und leer erschienen, wenn sie nicht das Kind gehabt, wenn sie nicht auf dasselbe ihre ganze Liebe übertragen hätte.
Das Haus John Branican’s stand auf einer jener Anhöhen, welche die nördliche Grenze des Golfs bilden. Es war eine Art Villa, inmitten eines kleinen Gartens von Orangen-und Olivenbäumen, den ein einfaches hölzernes Gitter umgab. Das Erdgeschoß mit der kleinen Gallerie, auf welche die Thüre und die Fenster des Salons und des Speisezimmers hinausgingen, dann der Balcon, der den größten Theil der Façade einnahm, des nett geschnitzte Dach, welches drei Fuß über das Stockwerk hinausragte, dies Alles bildete die einfache und reizende Behausung des Capitäns. Im Erdgeschosse befanden sich der Salon und das Speisezimmer, beide bescheiden möblirt; im ersten Stocke zwei Zimmer, das der Mrs. Branican und des Kindes; im Hintertheile des Hauses war ein kleiner Anbau für die Küche und das Dienstbotenzimmer. Prospect-House hatte eine herrliche Lage gegen Süden: Man konnte die ganze Stadt und den Golf bis zu den Gebäuden auf der Lamaspitze überblicken. Wenn das Haus auch von dem Leben und Treiben entfernt lag, so wurden die Bewohner doch wieder durch die herrliche Lage und die schöne Aussicht entschädigt, indem zu gleicher Zeit der Südwind und der salzige Geruch des Stillen Oceans diesen Besitz umgaukelten.
Hier nun brachte Dolly die langen Stunden zu. Die Amme des Kindes und eine Dienerin genügten vollständig für die Bedienung des Hauses. Die einzigen Besucher waren Herr und Frau Burker, selten kam Len, oft Jane. William Andrew besuchte, seinem Versprechen gemäß, öfter die junge Frau, indem er wünschte, ihr alle Nachrichten über den »Franklin« mitzutheilen, die auf directem oder indirectem Wege anlangen würden. – Bevor die Briefe an ihre Adresse gelangen können, berichten bereits die Schiffzeitungen von den Begegnungen der Schiffe, ihren Aufenthalten in den Hafenplätzen und anderen Dingen mehr, welche die Rheder und Besitzer interessiren. Dolly würde also auf dem Laufenden gehalten werden.
Oft begleitete Dolly den Capitän John. (S. 30.)
Was Bekannte, Gesellschaften, Besuche in der Nachbarschaft des Prospect-House anbelangt, so hatte sie dieselben nie gesucht. Ihr Leben füllte nur ein Gedanke aus; selbst wenn das Haus voller Besucher gewesen wäre, so wäre es ihr doch leer vorgekommen, weil John nicht da war; und es würde auch bis zu seiner Rückkehr leer bleiben.
Man konnte über die ganze Stadt blicken. (S. 31.)
Welchen Schmerz litt sie die ersten Tage! Dolly verließ Prospect-House gar nicht und Jane Burker besuchte sie täglich. Beide beschäftigten sich mit dem kleinen Wat und sprachen nur von John. War Dolly allein, so saß sie gewöhnlich auf dem Balcon des Hauses und ließ ihre Blicke in die Ferne schweifen, weit über den Golf, noch weiter über die Coronadoinseln hinaus… Sie durchdrangen die Meereslinie am Horizonte… Der »Franklin« war schon weit… aber sie holte ihn in ihren Gedanken ein, sie schiffte sich auf demselben ein, sie war an der Seite ihres Gatten… Und wenn ein Schiff aus weiter Ferne in den Hafen einfuhr, da sagte sie zu sich, daß auch der »Franklin« eines Tages so erscheinen, daß er je näher, desto größer werden, daß John an Bord sein werde…
Unterdessen war die Gesundheit des kleinen Kindes eine ganz gute. Zwei Wochen nach der Abreise des Schiffes war das Wetter sehr schön geworden und Wat konnte das Haus verlassen. So unternahm Mrs. Branican einige Ausflüge, wobei sie die Amme mitnahm, welche das Kind trug. Man ging zu Fuß, wenn sich die Spaziergänge auf die Umgebung der Hafenstadt beschränkten, bis zu den Häusern der Altstadt. Das that dem frischen gesunden Kinde sehr wohl, und sobald die Amme
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