Mistreß Branican
Dir sein.. aber wie lang wird mir der Tag vorkommen… Willst Du nicht mit mir frühstücken?…
– Wenn Du es erlaubst, liebe Dolly… Mr. Burker kommt erst Abends nach Hause, so daß ich Dir den ganzen Nachmittag widmen kann…
– Ich danke, liebe Jane, wir werden von John sprechen… nur von ihm… nur von ihm!
– Und der kleine Wat?… Wie geht es ihm?… fragte Mrs. Burker.
– Es geht ihm sehr gut! erwiderte Dolly, er ist lustig wie ein Vogel… Wie wird sich sein Vater freuen, ihn wiederzusehen!… Jane, ich möchte ihn am liebsten mit der Amme morgen mitnehmen… Du weißt es, ich trenne mich nicht gern von meinem Kinde, nicht einmal für einige Stunden… Ich hätte keine Ruhe.
– Du hast recht, sagte Mrs. Burker, das ist ein guter Gedanke, der Spaziergang wird dem kleinen Wat gut thun; die Witterung ist schön… das Meer ist ruhig… Es wird seine erste Seereise sein… Also abgemacht?
– Abgemacht!« versetzte Mrs. Branican.
Jane blieb im Prospect-House bis fünf Uhr Abends, dann schied sie von ihrer Cousine, indem sie nochmals wiederholte, daß sie dieselbe am folgenden Tage um neun Uhr Morgens erwarten werde, um mit ihr den »Boundary« zu besuchen.
Viertes Capitel.
An Bord des »Boundary«.
Am folgenden Tage stand im Prospect-House Alles frühzeitig auf. Das Wetter war prächtig, und die Brise, welche vom Lande kam, trieb rasch den Nebel nach dem Meere hinaus. Die Amme zog den kleinen Wat an, während Mrs. Branican Toilette machte. Man war übereingekommen, daß sie bei Mrs. Burker frühstücke. Auch begnügte sie sich mit einer einfachen Mahlzeit, was ihr erlaubte, bis Mittag zu warten, denn wahrscheinlich würde der Besuch bei dem Capitän Ellis zwei gute Stunden dauern. Hatte sie doch so viel zu fragen!
Mrs. Branican und die Amme, welche das Kind trug, verließen das Haus, als es eben an den Uhren von San-Diego halb neun schlug. Die breiten Wege der Stadt, welche von reizenden Villen und Gärten begrenzt waren, lagen bald hinter ihnen, und Dolly befand sich nun in den engeren Straßen des Handelsviertels.
Len Burker wohnte in der Fleet Street, nicht weit von der Werfte entfernt, welche der Gesellschaft der Pacific Coast-Steamship gehörte. Kurz, da sie die ganze Stadt durchgehen mußten, war dies ein förmlicher Ausflug für sie, so daß sie erst um neun Uhr in dem Hause Burker’s ankamen.
Die Wohnung war einfach und gewährte mit ihren persischen Vorhängen, die fast immer geschlossen waren, einen traurigen Anblick. Len Burker, der höchstens einige Geschäftsleute empfing, hatte weiter keine Bekannte. Man kannte ihn sogar in der Fleet Street nur wenig, und seine Geschäfte hielten ihn gewöhnlich von Morgens bis Abends von dem Hause fern. Er reiste viel herum und begab sich oft nach San-Francisco in Geschäftsangelegenheiten, die er seiner Frau gegenüber nie berührte. An diesem Morgen befand er sich eben in dem Comptoir, als Mrs. Branican ankam. Mrs. Burker entschuldigte ihren Gatten, daß er sie beide nicht an Bord des »Boundary« begleiten könne, und setzte hinzu, daß er sicher an dem Dejeuner theilnehmen werde.
»Ich bin fertig, liebe Dolly, sagte Jane, nachdem sie das Kind herzlich geküßt hatte. Willst Du Dich nicht einen Augenblick ausruhen?
– Ich bin nicht müde, erwiderte Mrs. Branican.
– Brauchst Du nichts?
– Nein, Jane!… Ich möchte nur schon bei dem Capitän Ellis sein… Ich bitte Dich, gehen wir sogleich!«
Mrs. Burker hatte eine alte Frau zur Dienerin, eine Mulattin, welche ihr Gatte aus New-York mitgebracht hatte, als er sich in San-Diego niederließ. Diese Mulattin, Nô, war die Amme Len Burker’s gewesen. Da sie schon früher in den Diensten der Familie stand, so war sie ihm sehr ergeben und dutzte ihn noch immer, wie sie es gewohnt war, als er noch ein Kind war. Dieses Geschöpf, dem Len Burker die ganze Hauswirthschaft überließ, konnte sich allein eines gewissen Einflusses auf ihn rühmen. Wie oft hatte Jane unter einer Herrschaft zu leiden, die oft jede Rücksicht außeracht ließ! Aber sie unterwarf sich der Herrschaft der Mulattin, wie sie sich der ihres Mannes unterwarf. In ihrer Resignation, die nichts als Schwäche war, ließ sie Allem freien Lauf, und Nô fragte sie in keiner Hausangelegenheit um Rath.
In dem Augenblicke, als Jane fortgehen wollte, befahl ihr die Mulattin, gewiß vor Mittag zurück zu sein, weil Len Burker heimkehren werde, und sie ihn doch erwarten müßte. Er hätte übrigens noch mit Mrs. Branican in einer
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