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Mistreß Branican

Mistreß Branican

Titel: Mistreß Branican Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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wichtigen Angelegenheit zu sprechen.
    »Um was handelt es sich denn? fragte Dolly ihre Cousine.
    – Wie kann ich das wissen, erwiderte Mrs. Burker. Komm, Dolly, komm!«
    Es war keine Zeit zu verlieren. Mrs. Branican und Jane mit der Amme und dem Kinde begaben sich nach dem Quai, wo sie binnen zehn Minuten ankamen.
    Der »Boundary«, dessen Quarantaine soeben aufgehoben worden war, hatte noch nicht jenen Ort des Hafens bezogen, der den heimkehrenden und ausruhenden Schiffen des Hauses Andrew bestimmt war. Er lag bei der Lomaspitze vor Anker, weshalb man über den Golf setzen mußte, um an Bord des Schiffes zu gelangen. Das war eine Ueberfahrt von ungefähr zwei Meilen, welche kleine Dampfer jede Stunde zweimal besorgten.
    Dolly und Jane Burker nahmen in einem solchen Dampfer Platz, inmitten von zahlreichen Passagieren, die meistens Freunde oder Verwandte der Mannschaft des »Boundary« waren und die aufgehobene Quarantaine sofort benutzten, um sich an Bord des Schiffes zu begeben. Bald durchkreuzte der Schraubendampfer in einer schiefen Linie den Golf.
    Der Golf sah bei diesem prächtigen Wetter herrlich aus: Die große Wasserfläche, im Hintergrunde die amphitheatralisch aufsteigenden Häuser San-Diegos, der Hügel, der die Altstadt beherrschte, die offene See zwischen den Spitzen von Island und Loma, das ungeheuere Hôtel von Coronado und der Leuchtthurm, der nach dem Untergange der Sonne weithin sein Licht wirst.
    Der Schraubendampfer fuhr an den zahlreichen Schiffen, die zerstreut vor Anker lagen, geschickt vorüber, ebenso wie auch an den Booten oder an den auslaufenden Fischerkähnen.
    Mrs. Branican saß neben Jane auf einer Bank des Hinterdecks. Die Amme hielt neben ihr das Kind in den Armen.
    Wat schlief nicht und seine Augen füllten sich mit jenem schönen Lichte, das eine frische Brise zu entflammen pflegt. Er sah blühend aus mit seinen rothen Wangen und rosigen Lippen, die noch feucht waren von der Milch, welche er aus dem Busen der Amme vor Verlassen des Hauses Burker’s gesogen hatte. Seine Mutter sah ihn zärtlich an und beugte sich oft über ihn, um ihn zu küssen, was der Kleine immer mit einem Lächeln erwiderte.
    Aber die Aufmerksamkeit Dollys wurde bald durch den Anblick des »Boundary« gefesselt, der sich jetzt von den übrigen Schiffen deutlich abhob und seine Flaggen lustig gegen den sonnenklaren Himmel flattern ließ.
    Das ganze Leben Dollys hing an diesem Anblicke. Sie dachte an John, der von einem ähnlichen Schiffe, das man einen Bruder jenes dort nennen konnte, entführt worden war. Wie sich die beiden Schiffe ähnlich sahen! Waren sie nicht Kinder desselben Hauses Andrew? Hatten sie nicht die gleiche Heimat? Waren sie nicht auf derselben Werfte erbaut worden? Dolly, ganz in Nachdenken versunken, ganz von ihrer Phantasie erfaßt, glaubte, John wäre dort auf jenem Schiffe… daß er sie erwarte… daß er ihr zuwinken werde… daß sie werde in seine Arme fallen können… sein Name war auf ihren Lippen… sie nannte ihn… und er antwortete, indem er den ihrigen aussprach…
     

    … saß die junge Frau auf dem Balkon. (S. 34.)
     
    Ein kleiner Schrei ihres Kindes entriß sie den Gedanken. Ja, es war der »Boundary«, auf den sie zufuhren, und nicht der »Franklin«… weit, weit war dieser… Wie viele tausende Meilen trennten ihn von der amerikanischen Küste!
    »Eines Tages wird er auch dort sein… sagte sie leise, indem sie Mrs. Burker ansah.
    – Ja, liebe Dolly, erwiderte Jane, und dann wird uns John an Bord erwarten.«
     

    Dann trennten sich die beiden Schiffe. (S. 42.)
     
    Sie verstand, daß eine leichte Unruhe das Herz der jungen Frau erfaßte, als diese sie nach der Zukunft fragte.
    Unterdessen hatte der Schraubendampfer in einer Viertelstunde die zwei Meilen, die den Quai San-Diegos von der Lomaspitze trennen, zurückgelegt. Die Passagiere stiegen aus, und Mrs. Branican mit Jane, der Amme und dem Kinde gingen zu Fuß. Die Entfernung bis zum »Boundary« war nur noch eine kurze.
    Gerade neben der Landungsbrücke stand unter der Aufsicht zweier Matrosen ein Boot, das die Verbindung mit dem Dreimaster vermittelte. Mrs. Branican nannte ihren Namen, und die beiden Männer stellten sich ihr zur Verfügung, sie an Bord des »Boundary« zu bringen, nachdem sie sich versichert hatte, daß Capitän Ellis sich auch dort befand.
    Einige Ruderschläge genügten, und sobald Capitän Ellis Mrs. Branican erkannt hatte, eilte er zur Schiffstreppe; während sie hinaufstieg, schärfte sie

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