Mistreß Branican
Stirne runzelnd.
– Aber wenn Sie jemals den Hut wiederfinden, so wird er doch nur noch ein Fetzen sein…
– Genug, Gîn-Ghi!… Genug!… Ich verbiete Dir, noch ein Wort über diesen Hut oder über etwas anderes zu verlieren!… Du verstehst mich?… Gut!… O!… Sehr gut!… Wenn das noch einmal vorkommt, werde ich Dir vierzig bis fünfzig Bambushiebe auftragen lassen!
– Wir sind nicht in China!
– Ich werde Dir nichts zu essen geben!
– Da werd’ ich wenigstens mager werden.
– Ich werde Dir den Zopf abschneiden.
– Meinen Zopf abschneiden?
– Werde Dir den Tabak entziehen!
– Gott Fô beschützt mich!
– Er wird Dich nicht beschützen!«
Vor dieser Drohung wurde Gîn-Ghi kleinlaut und unterwarf sich.
Um welchen Hut handelte es sich denn und warum jagte Jos Meritt sein ganzes Leben demselben nach?
Er stand vor ihr, die Mütze in der Hand. (S. 198.)
Dieses Original war, wie wir wissen, ein Engländer aus Liverpool, eines jener Exemplare, die sich nicht auf Großbritannien allein beschränken, sondern an der Loire, an der Elbe ebenso zu finden sind, wie in Schottland. Jos Meritt war sehr reich und wegen seiner Sammelwuth in Lancaster und in den benachbarten Grafschaften sehr bekannt.
Tom Marix, ein kräftiger und entschlossener Mann. (S. 204.)
Er sammelte aber keine Gemälde, Bücher oder Kunstgegenstände, sondern Hüte, und zwar jede menschliche Kopfbedeckung, wie Mützen, Hauben, Kappen, breit-und schmalränderige Hüte, Cylinder, Fez, Käppis, Mitren, Helme u. s. w. Er besaß schon ein ganzes Museum solcher historischer Kopfbedeckungen: So den Helm des Patrokles, als er von Hektor bei der Belagerung von Troja erschlagen wurde, den des Themistokles aus der Schlacht von Salamis, den Hut Cäsar’s, den ein Windstoß in den Rubicon getrieben hatte, die Haube der Lucrezia Borgia, den Hut Tamerlan’s, als er den Sind überschritt, den des Gengis Khan, als er Boukhara und Samarkand zerstören ließ, das Häubchen der Königin Elisabeth, das der Maria Stuart, als sie aus dem Schlosse Lockleven entfloh, das der Katharina II., als sie in Moskau war, das Käppchen Peter des Großen, als er mit den Zimmerleuten in Saardam arbeitete, den Hut Marlborough’s aus der Schlacht von Ramilies, den des dänischen Königs Oläus, der zu Sticklestad ermordet wurde, den Hut Geßler’s, den Wilhelm Tell nicht grüßen wollte, die Mütze Pitt’s, als er mit dreiundzwanzig Jahren Minister wurde, den Zweimaster Napoleons I. bei Wagram, endlich Hunderte andere nicht weniger berühmte Kopfbedeckungen. Sein größter Schmerz war, daß er noch nicht den Hut Noah’s besaß, als seine Arche auf dem Berge Ararat stehen blieb, und die Kappe Abraham’s, als er Isaak opfern wollte. Aber Jos Meritt verzweifelte nicht, sie eines Tages zu finden. Was die Kopfbedeckung Adams und Evas anbelangt, als sie aus dem Paradiese gejagt wurden, so verzichtete er auf dieselben, weil tüchtige Historiker nachgewiesen haben, daß das erste Menschenpaar keine Hüte oder Kappen trug.
Wir sehen, daß Jos Meritt ein großes Museum derartiger Curiositäten besaß und daß er sein ganzes Leben der weiteren Bereicherung desselben widmete. Er war von der Echtheit seiner Funde fest überzeugt und durchwanderte Länder, besuchte Städte und Dörfer, durchsuchte die Trödlerläden, verschwendete Zeit und Geld, um nach monatelangem Suchen einen alten zerlumpten Hut aufzutreiben, den man ihm gegen schweres Gold verkaufte. So durchzog er denn die ganze Welt, und war nun auf seinen Reisen über Afrika, Asien, Europa, Amerika und selbst Oceanien nach Australien gekommen.
Da er gehört hatte, daß die Eingebornen Australiens sich mit den verschiedensten männlichen und weiblichen Kopfbedeckungen bekleideten, in welchem Zustande sie dieselben auch gefunden haben mochten, so glaubte der Engländer, hier »einen Hauptschlag ausführen zu können«, um nach der Gewohnheit dieser Antiquitätensammler zu sprechen. Gewiß war Jos Meritt von einer fixen Idee besessen, die ihn ganz verrückt zu machen drohte, denn halb war er es schon. Es handelte sich diesmal um einen bestimmten Hut, der das werthvollste Stück seiner Sammlung ausmachen sollte.
Welches war nun dieses Wunderwerk? Welcher alte oder moderne Fabrikant hatte ihn verfertigt? Auf welchem königlichen, bürgerlichen oder bäuerlichen Haupte hatte er geruht und unter welchen Umständen? Dieses Geheimniß hatte der Engländer Niemand anvertraut. Nach den werthvollsten
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