Mistreß Branican
würde man die nothwendige Zahl von Wagen, Thieren und Pferden finden. Es mußte für Alles gesorgt werden, was etwa vierzig Personen, die Dienerschaft und die kleine Schutzwache in jenen ungeheuren Steppen, die ohne Vegetation und ohne Wasser sind, bedurften.
Dolly fand eine mächtige Stütze in dem Gouverneur von Südaustralien, der ihr bei allen Vorbereitungen hilfreiche Hand leistete. Dank seiner Vermittlung nahmen einunddreißig wohlbewaffnete und wohlberittene Männer, theils Eingeborene, theils Colonisten, die Vorschläge der Mrs. Branican an. Sie versprach ihnen für die Dauer der Expedition eine hohe Löhnung und eine Belohnung von hundert Pfund nach Beendigung derselben, mochte der Erfolg sein, wie er wolle. An ihrer Spitze stand ein ehemaliger Officier der Polizei, Tom Marix, ein kräftiger und entschlossener Mann von ungefähr vierzig Jahren, für den der Gouverneur garantirte.
Tom Marix hatte die tapfersten und verläßlichsten Leute aus den zahlreichen Bewerbern erwählt, so daß man bei den glänzenden Bedingungen auf ihre Ergebung rechnen konnte.
Der Troß stand unter dem Befehle Zach Fren’s, der überhaupt der eigentliche Führer der Expedition war; die Seele des Ganzen war aber Mrs. Branican selbst.
Nach Vollendung der Vorbereitungen wurde festgesetzt, daß Zach Fren spätestens am 30. nach der Station Farina aufbrechen sollte, wo Mrs. Branican mit den Uebrigen zu ihm stoßen würde.
»Zach, sagte sie zu ihm, Sie bieten Alles auf, daß unsere Karawane sich in der ersten Woche des September in Bewegung setzen kann. Zahlen Sie Alles und scheuen Sie keine Kosten!
– Alles wird bereit sein, erwiderte er. Nach Ihrer Ankunft brauchen Sie nur den Befehl zum Aufbruche zu geben.«
Man kann sich leicht vorstellen, daß Zach Fren alle diese Befehle ausführte, und zwar so schnell, daß er schon am 29. August nach Farina fahren konnte. Dann setzte er Mrs. Branican telegraphisch in Kenntniß, daß ein Theil der Expedition bereits beisammen sei.
Dolly unterzog sich mit Unterstützung von Tom Marix der ihr zugefallenen Aufgabe mit großer Begeisterung. Die Pferde wurden erst nach der sorgfältigsten Prüfung gekauft, und die australische Race lieferte ausgezeichnete Exemplare, die gegen Ermüdung gefeit, an jede Strapaze gewöhnt waren. So lange sie durch Wälder und Ebenen zogen, würden sie sich nicht um ihre Ernährung zu sorgen brauchen, da hier Gras und Wasser in Fülle vorgefunden wird. Aber von der Station Alice-Spring aus begannen jene Sandwüsten, die einer Expedition in Central-Australien so gefährlich werden können.
Da Mrs. Branican jetzt ungemein viel zu thun hatte, dachte sie weniger an die Vorfälle auf dem »Brisbane«, und von jener Hoffnung, die Zach Fren durch seinen Bericht auf einmal vernichtet hatte, blieb ihr nur noch eine kleine Erinnerung. Sie wußte jetzt, daß ihr kleines Kind dort drüben in einer Ecke des Friedhofes von San-Diego schlafe, daß sie auf seinem Grabe werde weinen können… und doch war die Aehnlichkeit eine so auffallende… und das Bild Godfreys und Johns verschmolz in ihrem Geiste stets in eines.
Seit der Ankunft des Postdampfers hatte Mrs. Branican den jungen Burschen nicht mehr wiedergesehen, und wenn dieser sie in den ersten Tagen nach ihrer Ausschiffung gesucht hatte, so wußte sie es einfach nicht. In jedem Falle schien es, als ob Godfrey nicht in das Hôtel der King William Street gekommen wäre. Was hatte er auch dort zu suchen? Nach der letzten Unterredung mit ihm hatte sich Dolly in ihre Cabine eingeschlossen und ihn nicht mehr zu sich gerufen. Dolly wußte übrigens, daß der »Brisbane« nach Melbourne zurückgekehrt sei und sie nach seiner Wiederankunft nicht in Adelaïde sein würde.
Während Mrs. Branican ihre Vorbereitungen zur Expedition traf, beschäftigte sich eine andere Persönlichkeit mit nicht weniger Beharrlichkeit mit seiner Unternehmung. In dem Hôtel in der Hindley-Street logirten Jos Meritt und sein Diener, der Chinese Gîn-Ghi.
Woher kamen diese beiden Typen des äußersten Asiens und Europas? Wohin reisten sie? Was machten sie in Melbourne und was suchten sie in Adelaïde? Unter welchen Umständen hatten sich die beiden Menschen da – der eine der Herr, der andere der Diener – zusammengefunden, um die Welt zu durchreisen? Die Beantwortung wird sich aus einem Gespräche ergeben, das Jos Meritt und Gîn-Ghi am Abend des 5. September mit einander hatten.
Zuerst müssen wir noch den Chinesen näher ins Auge fassen. Wenn
Weitere Kostenlose Bücher