Mit 50 hat man noch Träume
mittlerweile so aufeinander eingespielt,
dass alles reibungslos funktionierte. Ulrike regelte nebenbei ohne viel Aufhebens
ihre Angelegenheiten mit Claus, Caro kümmerte sich um die Pflanzung eines Rosengartens,
Bea feilte an der Marketingstrategie und Bruni bereitete ihre Vorlesungen für das
Herbstsemester vor. Die Universität Köln interessierte sich für das Thema ›Frauenglück‹
und hatte zu ihrer großen Freude einen Lehrauftrag an sie vergeben.
John, der
sein mehrwöchiges Deutschlandabenteuer genoss und von dem Geld, das er bei ihnen
verdiente, demnächst eine Rundreise plante, packte überall mit an, wo er gebraucht
wurde, in der Küche wie auf der Baustelle der Wangs. Sie widmeten sich dank ihres
prall gefüllten Sparstrumpfs vollauf dem Tempelbau, und alle waren zuversichtlich,
dass ihr Geschäft neu aufblühen würde, wenn er erst einmal stand. Sie hatten einen
chinesischen Architekten aus Köln bei der Planung des Gebäudes hinzugezogen, der
ihn nach allen Regeln des Feng-Shui konzipierte. Der Mann war ein Glücksgriff, umsichtig,
kreativ und sparsam, und sie konnten ihren chinesischen Freunden gar nicht genug
für diese Empfehlung danken. Die Anlage würde im Vergleich zur vorherigen um einiges
opulenter ausfallen, der Tempel würde noch farbenfroher sein und noch mehr ostasiatische
Geheimnisse bergen. Schon jetzt sah Zhang Liu im Geiste eine Vielzahl von Menschen
vor sich, die täglich herströmten und von seiner Pracht so beeindruckt waren, dass
sie gar keinen anderen Wunsch verspürten, als anschließend bei ihnen einzukehren.
Schließlich konnte der Genuss chinesischer Köstlichkeiten den Tempelbesuch erst
recht zu einem krönenden Abschluss bringen, fand sie.
Währenddessen richteten Mei Ling
und Wang Ai in der Kölner Südstadt eine 3-Zimmerwohnung ein und verbrachten zu diesem
Zweck ganze Tage in Möbelhäusern, wo sie die passenden Möbel zusammenstellten. Außerdem
klapperten sie sämtliche Flohmärkte ab, vom Markt am Kölner Volksgarten über den
Nippesser Markt bis hin zu den unzähligen kleinen Flohmärkten in der Eifel. Sie
hatten bereits Weingläser aus den 70er-Jahren erstanden, darüber hinaus zwei Lampen
mit roten Seidenschirmen, die Lao Wang mit chinesischen Schriftzeichen bemalen sollte,
doch den Clou bildete ein altes, deutsches Silberbesteck. Bei seinem Anblick hatte
Mei Lings Mutter sie entgeistert angestarrt und gefragt: »Wollt ihr jetzt etwa essen
wie die Barbaren?«
Wang San
konzentrierte sich neben dem Tempelbau auf die Vervollkommnung seiner Qi-Gong-Übungen
und überlegte, in Altenahr entsprechende Kurse anzubieten, denn Christine Schäfer
und noch einige andere Landfrauen hatten bereits Interesse signalisiert.
Lilly ließ
sich unterdessen von Ben in die Geheimnisse und Künste des Fußballspiels einweihen,
und wenn sie nach dem Training erhitzt und schweißnass nach Hause kam, aß sie nicht
mehr als einen kleinen Salat. Sie hatte bereits einige Kilo abgenommen.
»Deine Tochter
ist völlig erotisiert«, meinte Bea eines Tages lächelnd zu Caro und fügte hinzu:
»Irgendwie erinnert sie mich an Victoria aus Schweden und ihren Daniel Wrestling.«
Caro nickte.
Sie war froh, dass ihre Tochter endlich aus dem Dornröschenschlaf erwacht war. Und
wenn Ben der Prinz war, der sie zum Leben erweckte, sollte es ihr recht sein.
65
Im Wald war es angenehm kühl. Bea
lief neben Johannes über einen breiten, mit Laub bedeckten Weg, und sie freute sich
über den Schatten der dicht stehenden Bäume. Der Sommer war anhaltend heiß, und
die Hitzeperiode führte dazu, dass die Menschen sich nach erlösendem Regen sehnten.
Jeder hoffte, dass das Nass den Pflanzen endlich wieder Lebenskraft gab und den
Menschen ihre verstaubten Gehirnwindungen durchspülte, um die darin befindliche
Trägheit zu vertreiben. Jeder Gedanke schien einer zu viel. Auch Bea war seit Tagen
von einem Phlegma befallen, und jede ihrer Bewegungen erinnerte an die einer Riesenschildkröte.
Nach der kleinsten Anstrengung brauchte sie erst einmal eine Pause.
Das Marketingkonzept
war fertig, und seitdem sie es abgegeben hatte, war sie völlig erschöpft. Oft hatte
sie nachts noch bis spät in der Nacht daran gearbeitet, nun war es abgegeben und
sie war mit dem Ergebnis zufrieden. Das Honorar dafür müsste in den nächsten Tagen
auf ihrem Konto eingehen. Sie würde es dem ›Ahrstübchen‹ zugutekommen lassen und
damit die roten Zahlen, die sie schrieben, in schwarze verwandeln.
Heute hatte
sie ihren
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