Mit 50 hat man noch Träume
jedenfalls nicht dazu. Macht
nur Rückenschmerzen. Und das ist alles andere als Glück.
In ihre
Gedanken hinein hörte sie Ulrike sagen: »Ihr Kuchen ist köstlich, das Rezept hätte
ich gern.«
Christine
Schäfer strahlte über das ganze Gesicht. »Ich bringe es Ihnen zur Eröffnung mit,
reicht das?«
Ulrike nickte.
»Die Äpfel
stammen von unserer Obstwiese. Wir haben einen Hof, wissen Sie, einen Familienbetrieb,
da müssen alle mit anpacken, mein Mann genauso wie die zwei Jungen. Und hinterm
Haus steht noch ein Weinberg, um den wir uns kümmern müssen, der macht auch viel
Arbeit.«
Bruni sah
auf, sie spürte, wie die Fantasie mit ihr durchging. Vor sich sah sie auf einmal
das Bild eines glücklichen Ehepaars, das inmitten spielender Kinder auf der Obstwiese
vergnügt vor sich hin arbeitete, ein Lied vor sich hinträllernd.
»Das hört
sich ja richtig idyllisch an.« Sie selbst hatte Kinder allerdings nie vermisst.
Glücklicherweise war sie nie in die Situation geraten, schwanger zu sein, sodass
ihr die Entscheidung für oder wider eine Abtreibung erspart geblieben war.
Christine
Schäfer stutzte einen Moment, bevor sie sagte: »Ich will mich nicht beklagen. Uns
geht’s gut und ich bin froh, dass ich hier lebe. In einer Großstadt wäre ich bestimmt
nicht glücklich.«
Während
sie versonnen schwieg, versuchte Bruni, die Frau einzuordnen. Ihre direkte, offene
Art gefiel ihr. Sie schien anpacken zu können, und sie war offensichtlich völlig
uneitel. Ihr kurz geschnittenes braunes Haar war dauergewellt. Sie schätzte sie
auf Anfang 30.
»Was hat
Sie eigentlich hierher verschlagen?«, wollte Christine Schäfer wissen.
Die Freundinnen
sahen sich an, und Bea ergriff das Wort: »Ein gemeinsames Ziel. Wir wollen zusammen
etwas auf die Beine stellen.«
»Das können
Sie doch auch in Köln.«
»Da gibt
es aber kein ›Ahrstübchen‹.«
Christine
Schäfer lachte. »Na, dann toi, toi, toi.« Sie überlegte kurz, bevor sie weitersprach,
und plötzlich begannen ihre Augen zu strahlen. »Kennen Sie den Frauenfußballverein
›Eintracht Neuenahr‹?«
Die Freundinnen
schüttelten den Kopf.
»Die haben
demnächst wieder ein Spiel, wenn Sie wollen, kommen Sie doch mit. Meine Cousine
Miriam ist Stürmerin im Mittelfeld.«
Bruni, Ulrike
und Bea sahen sie interessiert an.
»Sind die
nicht auch in der Bundesliga?«, fragte Bea und sagte: »Ich würde gern einmal mitgehen,
und unsere Freundin Caro sicher auch, sie kennt den Verein bestimmt. In Köln massiert
sie hin und wieder die Fußballer des 1. FC.«
»Ehrlich?«
Christine Schäfer war völlig perplex. »Mein Mann ist FC-Fan«, sagte sie und fügte
hinzu: »Da wird er Ihre Freundin sicher ausquetschen, wenn er die Gelegenheit dazu
bekommt. « Sie schmunzelte. »Für das Spiel am 09. Mai im Apollinarisstadion in Bad
Neuenahr kann ich übrigens Freikarten besorgen.«
»Gegen wen
spielen sie denn?«, fragte Bea.
»Gegen den
1. FFC Frankfurt.«
»Zwei Karten
wären toll«, sagte Bea, die große Lust verspürte, sich nach langer Zeit einmal wieder
ein Frauenfußballspiel anzusehen. »Caro interessiert das sicher auch, und was ist
mit euch?«
»Wir halten
hier die Stellung«, lachte Bruni und Ulrike nickte zustimmend. Fußball war nicht
so ihr Ding.
»O.k. Dann
kümmere ich mich um die Karten«, versprach Christine Schäfer und lächelte.
Draußen
auf der Straße wurde es laut, und sie hoben die Köpfe, um aus dem Fenster zu sehen.
Aus dem Restaurant gegenüber strömten Chinesen. Viele von ihnen schleppten Kartons,
und es war unschwer zu erkennen, dass sich darin Wein befand. Einige gingen Richtung
Parkplatz, andere steuerten kichernd auf das alte Fachwerkhaus mit dem Glockenspiel
zu. Es dauerte nicht lange, und die Melodie erklang.
»Bitte nicht
schon wieder«, seufzte Ulrike. »Wir kennen inzwischen jeden Ton. Geht denen nicht
endlich mal das Kleingeld aus?«
»Die Chinesen
stehen halt drauf. So etwas gibt es dort wohl nicht«, beschwichtigte Christine Schäfer.
Sie beobachteten,
wie sich einige von ihnen vor dem Fachwerkhaus, an dem der kleine Automat befestigt
war, in Positur stellten und synchron in die Fotoapparate ihrer Freunde strahlten.
»Jeden Tag
das Gleiche«, kommentierte Christine Schäfer, dann sagte sie leise: »Um die Mittagszeit
rauschen sie in den Bussen an, dann essen sie bei den Wangs und los geht’s mit der
Sightseeingtour. Dabei machen sie meistens einen Riesenkrach.«
»Stimmt.«
Das war den Freundinnen auch schon
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