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Mit 50 hat man noch Träume

Mit 50 hat man noch Träume

Titel: Mit 50 hat man noch Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bärbel Böcker
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aufgefallen.
    »Ich hab’
nichts gegen Chinesen, wirklich nicht. Die kaufen viel ein, Wein und Souvenirs,
und das ist gut. Aber es sind einfach viel zu viele.« Sie beugte sich über den Tisch
und sagte lachend: »Aber wissen Sie was? Die Krönung ist, dass in den chinesischen
Reiseprospekten vor unserem fetten, barbarischen Essen gewarnt wird, auch heißt
es, der hiesige Service sei schlecht, das weiß ich von den Wangs. Sie können sich
vorstellen, die Gastronomen hier hören das gar nicht gern. Die klettern schon auf
die Barrikaden …«
    »Da werden
wir uns wohl anstrengen müssen«, seufzte Bea und fügte hinzu: »In jeder Hinsicht.«

8
     
    Leise trat Ulrike hinaus in den
Garten, der direkt an der Uferpromenade lag, und ließ sich vorsichtig auf eine Bank
sinken. Sie beobachtete, wie Caro, die an diesem warmen Frühlingstag einen Sonnenhut
aufgesetzt hatte, mit bloßen Händen in der Erde grub. Sie zieht nicht einmal Handschuhe
an, dachte sie, so kann man sich täuschen. Ulrike hatte Caro noch nie bei einer
anderen Arbeit als in ihrer Praxis gesehen, und irgendwie hatte sie immer geglaubt,
dass sie viel zu hübsch war, um sich schmutzig zu machen. In ihrem weißen Massagekittel
hatte Caro einfach immer nur engelhaft rein ausgesehen, aber sie musste momentan
ja auch niemanden massieren, und da kam es nicht darauf an, ob ihre Hände von der
Gartenarbeit rissig wurden und die Fingernägel Trauerränder trugen. Behutsam setzte
sie die Kräuter, die sie am Morgen gekauft hatte, nacheinander in kleine Pflanzlöcher.
Salbei, Zitronenthymian, Oregano, Liebstöckel, Rosmarin, Minze und Estragon; besonders
die Minze verströmte in der Sonne einen zarten Duft. Ulrike kräuselte die Nase und
schloss die Augen. Wieder, nahezu ohne Unterbrechung in letzter Zeit, musste sie
an Claus denken.
    Vor 20 Jahren
hatten sie geheiratet, und ihre Flitterwochen verbrachten sie in der Toscana. Sie
waren glücklich gewesen damals, überglücklich sogar, denn sie war im vierten Monat
schwanger gewesen, und sie hatten sich unbändig auf die Zwillinge gefreut. Als die
Jungs dann da waren, hatten sie eine glückliche Ehe geführt. Zumindest hatte sie
das geglaubt. Doch sie hatte sich ganz offensichtlich getäuscht, der Albtraum war
wahr.
    Wann hatte
es angefangen? Warum hatte sie nichts bemerkt? Sie könnte sich ohrfeigen für ihre
Blindheit. Seine Beteuerungen, dass er sie liebe und ohne sie nicht leben könne,
sollte er sich an den Hut stecken, sie glaubte ihm kein Wort. Der Vertrauensbruch
saß tief. Ulrike biss sich auf die Unterlippe. Es tat höllisch weh, so hintergangen
worden zu sein. Immer noch hatte sie eine derartige Wut im Bauch, dass sie ihn am
liebsten erdolchen würde, aber mindestens einmal am Tag fühlte sie sich auch wie
das heulende Elend und wollte ihn zurück. Ulrike atmete tief ein und hielt die Luft
an, bis es wehtat, dann atmete sie die Luft mit einem Stoß wieder aus. Ob sie ihm
verzeihen könnte? Sie wusste keine Antwort darauf.
    Sie beobachtete,
wie Caro Rindenhumus und Erde mischte und alles um die Wurzeln der Kräuter herum
festdrückte.
    Sie musste
daran denken, dass sie, nur wenige Tage vor ihrem 50. Geburtstag, wie in einem Groschenroman
in seiner Manteltasche die Rechnung eines Juweliers entdeckt hatte. Natürlich hatte
sie geglaubt, das Collier sei für sie bestimmt, und sie hatte sich wahnsinnig darüber
gefreut. Als Claus ihr dann morgens beim Geburtstagsfrühstück lediglich einen Gutschein
für ein gemeinsames Abendessen in einem Sternelokal überreichte, hatte sie vermutet,
das Schmuckstück würde am Abend auf ihrem Kopfkissen liegen. Wenn alle Gäste gegangen
und sie wieder allein waren. Doch das Kopfkissen blieb leer. In den nächsten Tagen
hatte sie sich eingeredet, er warte sicher nur auf den passenden Moment, aber dieser
Moment war nicht gekommen. Sie hatte vergeblich gewartet, und eine Woche später
hatte sie endlich begriffen. Ihr Magen zog sich zusammen, als sie daran dachte.
Es hatte einen Rieseneklat gegeben. Sie hatte die Rechnung vor seinen Augen in tausend
Stücke gerissen und mit Scheidung gedroht. Wenigstens hatte er nicht versucht, es
abzustreiten, aber dass die Wahl ausgerechnet auf seine Sekretärin gefallen war,
empfand Ulrike als schlechten Witz. Seine Sekretärin! Welch ein Klischee.
    Ihre Jungs,
die Zwillinge, waren genauso entsetzt wie sie.
    »Du bekommst
noch einen Sonnenbrand!« Mit diesen vorwurfsvollen Worten riss Caro sie aus ihren
Gedanken, und Ulrike setzte sich auf.

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