Mit Arabella fing alles an
Gott sei Dank nie etwas Schlimmes.
Dennoch lief nicht alles gut: Die gutmütige alte Kuh mit dem Hinkebein konnte die Stufe nicht schaffen. Wir versuchten es eine Woche lang, aber die Schwierigkeiten wurden für sie immer stärker. So mußte ich den Händler anrufen und ihm um eine andere Kuh bitten. Er war sehr zuvorkommend, denn er gab auf alle seine Verkäufe eine Garantie. Schon am nächsten Tag erschien ein Laster, der Hoppity Jane wieder auflud und eine völlig schwarze Kuh daließ.
Der Neuankömmling war ein unkompliziertes Tier, das sich ohne Schwierigkeiten in die Herde einfügte. Aber nicht alle Einheimischen mochten sie. Die Frau eines benachbarten Bauern, eine kräftige und vernünftige Frau vom Land, erschauerte, als sie sie von der Weide auf den Hof kommen sah. »Niemals würden wir in unserer Herde eine ganz schwarze Kuh wie jene dulden. Irgend etwas ist nicht ganz in Ordnung mit einer ganz schwarzen Kuh. Man muß vor ihr auf der Hut sein; sie können sehr leicht bösartig werden.«
Was dies alles bedeutete, und wie es dazu kam, habe ich nie herausgefunden. Diese Ansicht war eben weit verbreitet und wurde auch auf unsere arme Blackie angewandt, die die verkörperte Geduld und Gutmütigkeit auf vier Beinen darstellte. Aber wir entdeckten, daß es eine Menge ländlicher Überlieferungen gab, die weder wir verstehen noch unsere Freunde erklären konnten. »Man hat das immer so gemacht«, antworteten sie auf unsere Nachforschungen, oder »Jeder weiß das, Jacky, jeder weiß das.«
Sie hielten uns für sehr neugierig, aber in dieser Hinsicht standen wir nicht allein da. Die Leute der Umgebung kümmerten sich alle schamlos um die Angelegenheiten anderer. Wir waren ein bevorzugtes Gesprächsthema, und unsere Fortschritte wurden ausgiebig diskutiert. Die Etiketten auf unseren Milchkannen wurden sorgfältig überwacht. Wenn der Milchwagen auf die Höfe fuhr, fragten sie Jock: »Wie geht’s denen da unten?« Es gab keine Möglichkeit, die Zahlen ein wenig zu manipulieren, wenn man auf den Markt oder ins Gasthaus kam und mit den Worten begrüßt wurde: »Ich hab’ gesehen, daß du neuerdings ‘n bißchen weniger produzierst, Jacky. Hoffentlich nichts Besonderes los?«
10
Hände wie Frankenstein und die verletzte Arabella
A ußer unserem stark lädierten Bankkonto war der Zustand meiner Hände der deutlichste Hinweis auf unsere Bekehrung zum Bauerntum. Durch das rauhe Wetter waren sie rot und rissig geworden. Meine weichen Städterhände zeigten jetzt Blasen und Schrunden, und wenn ich sie in heißes Wasser tauchte, mußte ich vor Schmerzen die Zähne zusammenbeißen, bis sich allmählich eine Hornhaut bildete. Außerdem schien ich in den ersten Wochen lediglich zwei linke Hände zu haben: Bei jedem Hämmern landete der Hammer unweigerlich auf einem meiner Finger und hinterließ einen gequetschten Nagel.
Eines Tages betrachtete Shirley meine Hand, als diese auf dem Küchentisch lag. »Sie sieht wie eine Wollhandkrabbe aus«, meinte sie. Shirley hatte recht.
Ich wunderte mich ständig darüber, daß ich mehr und mehr wie ein heruntergekommener und zerlumpter Landstreicher wirkte, während Shirley es, egal wie hart sie arbeitete, immer schaffte, den Eindruck zu erwecken, als käme sie gerade von einem Kaffeeklatsch aus der Stadt zurück. Gummihandschuhe waren der einzige Luxus, den sie sich leistete. Sie schien für sich einen Fünfjahresvorrat mitgebracht zu haben. Machte ich Bemerkungen hinsichtlich der Ausgaben, verwies sie schlicht auf meine zerschundenen Greifwerkzeuge und fragte: »Möchtest du wirklich, daß meine auch so aussehen?«
Natürlich wollte ich das nicht. Aber ich hätte es doch geschätzt, wenn sie ihrem Wunsch widerstanden und mich nicht ständig vor Besuchern gebeten hätte, meine Hände vorzuzeigen, als gehörten sie ins Gruselkabinett. Es wurde so schlimm, daß ich, um keine Aufmerksamkeit auf sie zu lenken, mich manchmal sogar auf meine Hände setzte.
Doch das plötzliche Gezwungensein zur körperlichen Arbeit veränderte nicht nur meine Hände so als gehörten sie zu Frankenstein. Auch mein Diät-Fahrplan aus der Stadt flog in den Kamin: Jetzt war ich ständig bemüht, mein Gewicht zu halten und nicht noch mehr abzunehmen. Täglich aß ich riesige Berge Kartoffeln und verschiedene Gemüsesorten, und ich verschlang wie Heinrich VIII. ungeheure Mengen an Fleisch, Kuchen und Süßspeisen.
Während der ersten Wochen war ich derart müde und erschöpft, daß ich kaum mit der
Weitere Kostenlose Bücher