Mit Arabella fing alles an
jedoch die saugende und pulsierende Melkbewegung der Maschine, so daß Arabella sie runterkickte und — um es ganz grundsätzlich zu machen — in den Kuhmist trampelte.
Das bedeutete, daß ich die Stutzen waschen und sterilisieren mußte, bevor ich einen neuen Versuch machen konnte. Die gnädige Frau wartete bereits auf mich, als ich wiederkam. Mit ihrem ersten Kick flogen die Melkstutzen im hohen Bogen aus meiner Hand. Mit dem zweiten Kick von ihr sollte ich hinterherfliegen. Gott sei Dank hatte sie schlecht gezielt: sie traf nur meine Hüfte, ohne ernsten Schaden anzurichten. Von dem Zeitpunkt an begann unser Gefecht: sobald ich mich ihr näherte, schlug sie hinten aus.
Ich hielt es für vernünftig, sie sich erst einmal beruhigen zu lassen; daher wurden zunächst die restlichen Kühe gemolken und hinausgeschickt. Doch die Angelegenheit war nur aufgeschoben. Als ich wieder zu ihr kam, erhielt ich einen sehr schmerzvollen Tritt gegen die Hände, gefolgt von einem weiteren gegen das Knie. Voller Verzweiflung rief ich schließlich Ellis, meinen Nachhilfelehrer, an. Er war gerade beim Abendessen, schlang dies noch schnell hinunter und kam unverzüglich.
»Ich habe ihr nicht das geringste getan«, sagte ich zu ihm, als er ankam. »Ich habe sie weder geschlagen, noch den Hund auf sie gehetzt oder sie beschimpft. Aber bei allem, was mir heilig ist, hat sie meine Geduld überfordert, dieses verfluchte Biest!«
Er war entsetzt. »Du darfst so was nie sagen — ausgerechnet noch in ihrer Hörweite. Das hast du niemals von mir gelernt.«
»Das stimmt«, gab ich ihm recht. »Entschuldige, Ellis, aber sie war halt ein bißchen schwierig.«
Er sprach leise auf die Kuh ein und lehnte dabei seine Stirn an ihre Flanke. »Komm, meine Schöne, beruhige dich. Wir wollen uns mal ansehen, was er mit dir gemacht hat. Ganz ruhig.«
Hoffnungsvoll wartete ich darauf, daß der Hinterlauf ausschlagen würde. Aber nein. Arabella ließ ihn ohne Widerspruch die Zitze begutachten.
»Nun, das werden wir bald wieder in Ordnung haben«, murmelte er und richtete sich wieder auf. Er meinte mit diesen Worten die Kuh. Bevor er mit mir sprach, ging er ein paar Meter von ihr weg. Seine Stimme war leise, fast flüsternd.
»Es sieht nicht sehr gut aus, Jacky, aber es könnte schlimmer sein. Hast noch Glück gehabt. Wenn der Milchgang beschädigt worden wäre, hättest du einen künstlichen Gang mit dem sogenannten Kuhstock machen müssen. Ähnelt einem Strohhalm. Man führt ihn direkt in die Zitze ein.«
Dann verlangte er einen Eimer voll klaren, warmen Wassers und machte sich an die Arbeit. Was er genau anders gemacht hatte als ich, konnte ich nicht gut erkennen, aber fünfzehn Minuten später war Arabella gemolken und konnte zu ihren Heu kauenden Gefährtinnen entlassen werden. Die Wunde hatte er mit einer dicken Schicht Eutersalbe bedeckt.
»Man muß ihnen nur klarmachen, daß man ihnen hilft, das ist alles«, setzte er mir auseinander.
Ich war zu feige für eine neue Konfrontation mit ihr am nächsten Morgen. Statt dessen molk ich die übrigen und brachte meine Milch oben ans Wegende. Erst dann kümmerte ich mich um die verletzte Zitze. Arabella kickte den Apparat nur einmal herunter, aber danach ließ sie sich — mit Hilfe großzügiger Bestechung durch leckeres Zusatzfutter — ruhig melken. Ich atmete befreit auf, als die Milch versiegte, und ich sie laufen lassen konnte.
Der Heilprozeß der Zitze dauerte fast drei Wochen. Während dieser Zeit behandelte ich sie wie eine Zeitbombe mit unbekanntem Zündungsmoment. Sie zischte zwar ein- oder zweimal, aber zu einer regelrechten Explosion kam es nicht, wahrscheinlich in erster Linie, weil sie allzu beschäftigt mit dem Hinunterschlingen des köstlichen Zusatzfutters war. Sie erhielt davon soviel sie wollte; falls man das Erpressung nennen konnte, war ich bereit, ihr jeden Preis zu zahlen.
11
Kälber — Kälber
W ir wollten schon immer Kälber aufziehen, aber alles Gehörte oder Gelesene darüber hatte uns in keiner Weise auf diese wilde Bande vorbereitet, die wir uns anschafften.
Hiesige Bauern kauften junge Kälber, zogen sie zu Einjährigen von etwa 250 Kilo auf und verkauften sie weiter an Leute mit fetteren Weiden, die sie für den Fleischmarkt mästeten. Die Nachfrage nach den Tieren war sehr groß. Sie kamen meistens von den Milchkuhherden und wurden auf den lokalen Auktionen versteigert. Die Kalbshändler, wie unsere Besucher, waren sehr wichtige Zahnräder in der Maschinerie
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