Mit Arabella fing alles an
Arbeit fertig wurde. Aber das ging vorbei. Ich entdeckte Muskeln, von denen ich bisher keinen Schimmer hatte, und die ich wegen des schmerzhaften Muskelkaters vielleicht lieber hätte untätig bleiben lassen sollen.
Auch wettermäßig machte das Monatsende vom März keine Anstalten, mir den Anfang meiner Melkerfahrungen zu erleichtern. Während einer langen, schier endlos scheinenden Periode ging ich morgens im ersten grauen Tageslicht nach draußen, wo mich der Wind mit Graupelregen empfing, der beinahe waagerecht über die Felder fegte und mir boshaft ins Gesicht schlug. Dagegen konnte ich mich lediglich mit mehreren Schichten warmer Kleidung wehren. Shirley strickte mir eine Balaklava-Mütze, die über die Ohren reichte und nur ein Minimum des Gesichts freiließ. Wie ein Polarforscher sah ich aus.
An solchen Tagen hatten die Kühe keine Lust, ihren geschützten Schlafstall auf dem großen Hof, wohin sie gebracht worden waren, zu verlassen. Mit einem Stock mußte man sie auf die Beine bringen und sie anbrüllen, damit sie sich zu den dreißig Metern bis zum Melkstall durchrangen. Mit krummen Rücken und eingezogenen Schwänzen hasteten sie hinüber wie ein Haufen alter Damen, die an einem windigen Tag nach, Schutz suchten.
Wie eine Eiskammer war der ungeheizte Melkstall, bis das erste halbe Dutzend Kühe an seinem Platz war. Bald wurde es warm, denn sie verströmten Hitze wie mit Leder überzogene Heizkörper.
Aber es gab auch bessere Tage mit einem freundlichen Morgen. Dann trat ich hinaus in eine träumerische, verschlafene Welt. Jenseits des Tales, etwas höher am Berg, war ein schwacher Lichtstrahl zu sehen. Er schien durch einen offenstehenden Türeingang. Ich suchte danach. Wie ich arbeitete dort ein Mann, verpackt in dicke Kleidung, der mit klammen Fingern die Geräte vorbereitete und seine Hände an den Kühen zu wärmen versuchte. Er hieß Mervyn und war klein und dunkelhaarig. Gelegentlich begegneten wir uns und teilten die Kameradschaft von Männern, die ihren Lebensunterhalt auf die gleiche Art verdienen. Wir nickten uns dann zu, lächelten und fragten ohne eine Antwort zu erwarten: »Wie geht’s mit dem Melken?«
Nach einer Auktion kam er eines Tages in der Gastwirtschaft auf mich zu und fragte: »Was um Himmels willen war neulich nachts bloß bei dir los? Das Licht brannte fast bis Mitternacht.«
Die Ursache war ein defekter Lichtschalter gewesen, Regenwasser der Grund. Beim Berühren bekam man einen unangenehmen Schlag. Deshalb hatten wir es angelassen, bis es wieder getrocknet war.
»Ich hatte Angst, daß was mit ‘ner Kuh nicht stimmte«, sagte er. »Kann manchmal Vorkommen.«
Er war froh darüber, daß es nichts Ernstes gewesen war und wollte mich zu einem Bier einladen. Weil jedoch bereits ein anderer das übernommen hatte, gesellte er sich wieder zu seinen eigenen Freunden am Dartboard. Es tat wohl, zu wissen, daß er nach meinem Licht genauso Ausschau hielt wie ich nach seinem.
An jenem Tag handelte es sich also um eine Lappalie, einige Tage später allerdings lagen die Dinge ganz anders. Da gab es tatsächliche Probleme. Glücklicherweise passierte es beim Melken am Abend, wenn man mehr Zeit dafür aufwenden kann. Es fing damit an, daß ich unter Arabella langte, um das Euter zu waschen, und Blut an meinen Händen entdeckte. Mein Herz stockte einen Augenblick lang und rutschte dann bis in meine Gummistiefel. Im Hof war sie auf eine der Zitzen getreten und hatte sie stark beschädigt.
Aus einem unserer Bücher wußte ich, daß ein Kuheuter innen verschiedene Abteilungen hat. Er ist in Viertel unterteilt und jedes Viertel hat glücklicherweise seine eigene Zitze. So konnte ich einen Stutzen des Gerätes aussparen und lediglich die drei unbeschädigten Abteilungen melken. Damit hatte ich allerdings nur das Problem hinausgeschoben; das verletzte Viertel durfte ich nicht einfach ignorieren, denn sonst würde die Kuh eine Entzündung bekommen.
Als widerliche Komplikation kam hinzu, daß die Wunde genau dort war, wo der Rand des Melkstutzens sie berühren würde. Das müßte Arabella wehtun, und es gäbe bestimmt Ärger.
Es durfte auf keinen Fall Blut in die Milch geraten, die bereits in der Kanne war. Daher stellte ich diese beiseite und nahm eine leere. Als nächstes säuberte ich so vorsichtig wie nur irgend möglich die verletzte Zitze und schmierte sie mit antiseptischer Eutersalbe ein. Die Kuh war genauso nervös wie ich, aber sie ließ mich die Stutzen anlegen. Zu schmerzhaft war
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