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Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Titel: Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beynon Rees
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sagte das Mädchen. «Ich hab dich nackt im Bett dieser Nutte erwischt.»
    «‹Hure, ich schlitz dich von oben bis unten auf!›», brüllte Ranuccio in ironischem Falsett. «Ihr hättet sie hören sollen,
Ragazzi
. Sie war eine Furie. ‹Du dreckige Hure, ich stech dich ab. Ich stech dich ab.›»
    Caravaggio trennte die beiden voneinander. «Lass sie in Ruhe.»
    Ranuccio nahm langsam die Hand aus Fillides Kleid und schob sie zur Seite. «Du schuldest mir noch was, Maler. Denkst du an deine Schulden?»
    «Er zahlt dich aus.» Onorio klopfte Fillide auf den Hintern. «Aber jetzt wollen wir Musik und Tanz.» Er nahm eine in der Ecke stehende spanische Gitarre und reichte sie Caravaggio.
    Während Caravaggio sie stimmte, pinkelte Ranuccio lautstark in einen Eimer neben der Tür. Bei den ersten Tönen von
Ti parti, cor mio caro
zog er die Hose wieder hoch und ging zu Fillide. Er begann den
Villanella
mit einem affektierten Tanzschritt und zog sie mit sich. Gaspare umkreiste vornehm und steif Menica. Onorio zog Prospero lachend von seinem Stuhl, und sie drehten sich über die Dielen.
    Caravaggio zupfte die Saiten und sang mit klarer, tiefer Stimme das alte Bologneser Lied:
    Von dir zu scheiden, mein liebes Herz,
    Lässt mich bittere Tränen weinen,
    Und meine Seele kann ohne dich
    Keine Heilung finden.
    Ranuccio pfiff dazu und rieb die Nase an Fillides Hals.
Dieser Trottel würde auch zu einem Trauermarsch so herumhopsen
, dachte Caravaggio.
    Verlass mich nicht,
    Mein liebes Herz,
    Bleib mir treu.
    Ranuccio verlangsamte seine Schritte und presste Fillide fester an sich.
    Wenn du mich verlassen willst,
    Komm bald zurück,
    Ich überlebe keine einzige
    Stunde ohne dich.
    Verlass mich nicht.
    Ranuccio und Fillide gingen zum Bett. Sie stieß ihn auf die Matratze, stieg über ihn und zog den Vorhang zu.
    Onorio stampfte und klatschte. «Spiel lauter, Michele.» Caravaggio übertönte mit seiner Stimme das Grunzen und Gackern aus dem Bett.
    Ihr Liebesakt war schnell vorbei, und der Vorhang ging wieder auf. Ranuccio döste zufrieden vor sich hin. Fillide ordnete ihre Brüste und ihr Dekolleté. Menica füllte Näpfe mit Fleischfür Gaspare und Caravaggio. Der Eintopf duftete nach den Aromen von Muskat, Gewürznelke und Zimt.
    «Ich bin jetzt in der Stimmung für Gedichte», sagte Fillide.
    Gaspare verbeugte sich. «Euer Herz liegt auf dem Bett, doch Eure Seele hat es verlassen und folgt der Liebe und der Poesie zu mir, meine gnädigste Fillide.»
    «Ich meinte Gedichte von
dir
. Nicht so etwas dämlich Aufgewärmtes von Petrarca. Ich hasse dieses weinerliche alte Weichei.»
    «Hört, hört.» Ranuccio klopfte mit der flachen Hand gegen die Wand.
    Gaspare war peinlich berührt, dass eine einfache Kurtisane sein Plagiat durchschaut hatte, und er räusperte sich. «Erinnerst du dich an das Gemälde, das unser Freund Michele vor einigen Jahren gemalt hat?
Amor als Sieger

    «Der kleine Cupido, der so lächelt, als sei er Freiwild für jedermann?» Onorio zog den Korken aus einer neuen Flasche und setzte sie sich an die Lippen.
    Gaspare warf sich in die Pose eines deklamierenden Schauspielers und rezitierte sein Madrigal. Es mahnte, dass Caravaggios Darstellung der Liebe so wahrhaftig wie die Wirklichkeit wäre – in ihrer wildesten Form.
    «Schau nicht hin, schau nicht die Liebe an», schloss er. «Sie setzt dein Herz in Flammen.»
    «Nicht schlecht», rülpste Onorio. «Du solltest es veröffentlichen.»
    «Es ist vor zwei Jahren in Venedig veröffentlicht worden.» Gaspare stemmte beleidigt eine Hand in die Hüfte. «Ich habe dir doch ein Exemplar des Buchs geschenkt.»
    «Daran kann ich mich nicht erinnern.»
    Prospero gab ihm einen Stoß. «Es ist das Buch, das du in deine Schlafkammer gelegt hast, um den Pisspott auf die richtige Höhe zu bringen.»
    Gaspare reckte die Faust, aber Menica hielt ihn zurück.
    Onorios Schmollmund bebte vor bösartigem Humor. «Michele, verwandelt die Liebe etwa
dein
Herz zu Asche, wie in den Worten unseres Gefährten, des größten Poeten der höchst edlen Republik Genua?»
    Caravaggio legte die Gitarre auf den Boden. Seine Augen waren weit geöffnet und starr, als beobachtete er den sich nähernden Geist eines Toten. «Liebe?» Er griff zum Wein und trank einen Schluck. «Glaubst du wirklich, dass das mich entflammt?»
    ∗
    Wie das Stilett eines lautlosen Mörders bahnte sich das Morgenlicht einen Weg tief in sein Gehirn. Caravaggio stöhnte.
    «Zeit zum Aufstehen, Michele.»
    Zinnoberrote

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