Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman
ganz leicht.» Onorio stieß die Fensterläden auf. Die Sonne fegte durchs Zimmer, als hätte sich dort die Dunkelheit wie eine Staubschicht ausgebreitet.
«Mein Vater und Großvater sind am gleichen Tag an der Pest gestorben», murmelte Caravaggio.
«Jeder stirbt. Man könnte fast meinen, dass wir mehr als einmal sterben. Tod gibt es im Überfluss. Es scheinen kaum genug Menschen zu leben, um all das unvermeidliche Sterben zu rechtfertigen.»
«Da ich nun gleich zum ersten und zweiten Mal gestorben bin», Caravaggio deutete auf seine Kehle und auf seinen Kopf, «habe ich ein paar Tode weniger zu fürchten.»
Als Onorio pfeifend die Treppe hinunterging, fiel Caravaggio in Schlaf. Er träumte, noch einmal mit Ranuccio am Palazzo zu kämpfen. Diesmal ging er in die Knie, und Ranuccio stieß ihm sein Rapier durch die Brust. Er fiel mit dem Kopf aufs Hofpflaster und sah die Herkulesstaue, als läge sie auf der Seite. Ranuccio lief vorbei und verfolgte lachend Lena. Er holte sie ein. Caravaggio erwachte schreiend.
Schritte auf der Treppe. Er setzte sich aufrecht, zitterte, schwitzte. Seine Kehle widersetzte sich dem Schrei.
Scipione trat ein. Sein Schnurrbart sträubte sich vor Freude wie bei einem Schauspieler, der seinen Auftritt hat.
«Ein echter Schreckensschrei. Ich sorge häufig für eine solche Reaktion, Maestro Caravaggio. Aber entspannt Euch», sagte er.
Caravaggio schwang die Beine aus dem Bett.
«Bleibt, wo Ihr seid.» Scipione reichte ihm die Hand zum Kuss. Er runzelte die Nase und zog schon nach der Andeutung einer Berührung seinen Arm zurück. «Mein Lieber, Euch hat es schwer erwischt.»
«Ich bin die Treppe heruntergefallen. Ich habe mich mit meinem eigenen Degen verletzt …»
Scipione atmete tief ein. «Ich verhöre Euch nicht, Caravaggio.»
«Ja, Eure Durchlaucht.»
Scipione nahm vorsichtig Platz, als traute er den Stühlen im Haus eines Gemeinen nicht. «Erst vor einigen Tagen habe ich Euch gesagt, dass Ihr keinen Streit mit den Jungs der Familie Tomassoni suchen sollt.»
«Ja, Eure Durchlaucht.»
«Ich erinnere Euch daran, dass das Oberhaupt der Familie Tomassoni der Kommandant der Garde des Castel Sant’Angelo ist. In unruhigen Zeiten ist die Burg der Zufluchtsort des Heiligen Vaters. Das bedeutet, dass Tomassoni jemand ist, auf den sich der Heilige Vater höchstpersönlich verlassen muss.»
Caravaggio zuckte zusammen und hob eine Hand an seine Kehle.
«Wenn der Heilige Vater ins Castel Sant’Angelo ginge und die Türen verriegelt und die Garde –», Scipione strich sich mit dem Daumen über den Schnurrbart, «– unfreundlich fände, dann wäre das eine Katastrophe für alle Christen.»
«Ich stehe stets tief in der Schuld des Heiligen Vaters und Eurer Durchlauchtigsten Hoheit.»
Der Kardinal legte seine plumpen Finger zusammen. «Ich habe gestern Abend in Kardinal del Montes Palazzo gespeist. Ich unterhielt mich mit einem Mann der Wissenschaft, der mich darüber aufklärte, dass der Mensch die einzige Spezies ist, die Blutrache verübt. Dabei dachte ich an Euch.»
Natürlich.
«Blutrache unterscheidet uns offenbar von den Tieren», fuhr Scipione fort.
«Und der Glaube an den wahren Gott, mein Herr.»
«Es gibt viele, die diesen Glauben nicht teilen, und natürlichwerden sie wie Tiere sterben. Aber Ihr macht Euch über mich lustig. Tut das nicht. Euer Konflikt mit Ranuccio ist menschlich. Ich bitte Euch, etwas göttlicher zu sein – Euch darüber zu erheben.»
«Seid Ihr niemals rachsüchtig, Eure Durchlaucht?»
«Vergleicht Euch nicht mit mir. In meinem Fall
ist
Vergeltung göttlich. Sie hat den Segen des Heiligen Vaters.» Scipione reckte sich vor und berührte Caravaggios Arm. «Ich versuche, Euch in Sachen Don Fabrizio Sforza Colonna zu helfen. Als Euer Patron will ich Euch meine Achtung erweisen. Ich wünsche, dass das Wohlbefinden der Marchesa Costanza Colonna garantiert wird.»
Caravaggio hätte die Hand des Kardinals ergriffen, um sie zu küssen, aber Scipione hielt ihn mit überraschender Kraft davon ab. Er war stärker, als er aussah.
«Ich muss die Farneses dafür bezahlen, dass sie den Tod ihres Cousins durch die Hand Don Fabrizios übersehen. Dabei ist es nicht hilfreich, wenn Ihr Euch auf ihrem Hof schlagt.»
«Da waren viele Männer. Nicht nur ich.»
«Mit den anderen Dummköpfen habe ich nichts zu schaffen. Bei Euch habe ich jedoch ein Gemälde in Auftrag gegeben – und zwar des Heiligen Vaters. Und ich wünsche noch weitere.»
«Aber Tomassoni
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