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Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Titel: Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beynon Rees
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das Mädchen jetzt außer Ranuccios Reichweite war. «Geh nach Hause, Lena.»
    Sie umarmte ihn. «Michele, nicht –»
    «Schnell, bevor hier der Kampf losgeht. Ich kann nicht gehen, nicht nach dem, was Ranuccio zu mir gesagt hat.»
    Sie zögerte, als überlegte sie, wie sie ihn überreden konnte. Er schüttelte den Kopf und tippte mit der Spitze seines Zeigefingers auf ihr Kinn. Sie küsste ihn auf die Wange und ging.
    «Sie ist ein nettes kleines Ding,
Cazzo
.» Onorio klopfte Caravaggio auf den Hintern. «Ranuccio ist also im Palazzo?»
    Sie gingen in den Hof und standen dort ein Stück von den Farneseleuten entfernt.
    Caravaggio wunderte sich über sich selbst. Noch vor einer Stunde war er so glücklich gewesen, wie er es sich kaum hätte träumen lassen, gemeinsam mit einer Frau, die ihn betörte, in den Galerien dieses Palazzos. Jetzt konnte ein einziger Hieb alles zunichtemachen.
Endet dein Leben so? Wird es das gewesen sein?
    Ranuccio löste sich von den Farneseleuten. «Wo ist denn deine Nutte geblieben, Maler? Ich will ihr mein Horn reinschieben, damit dir die Hörner eines Hahnreis aus dem Kopf wachsen.»
    Caravaggio hob die Hand zum Mund und biss mit gebleckten Zähnen auf den Knöchel seines Mittelfingers.
    «Was soll das? Du beleidigst mich.» Ranuccio zückte seine Klinge und rückte weiter vor.
    Caravaggio zog seinen Degen aus der Scheide. Ein schimmerndes, gleißendes Schaben der Schneide durchzuckte seinen Arm und Oberkörper.
    Der erste Zusammenprall, eine Parade, als Ranuccio vorsprang und zustieß. Seine Klinge war fünfzehn Zentimeter länger als Caravaggios, und er hatte auch eine größere Reichweite. Caravaggio fintierte gegen Ranuccios Degen, unternahm einen Überraschungsangriff und traf den Bizeps seines Gegners. Die Degenspitze schlitzte den Stoff von Ranuccios Wams auf. Unter der Klinge spürte er Fleisch.
    Ranuccio drehte sich von ihm weg, ging beiseite und tastetemit der linken Hand unter sein Hemd, behielt dabei aber Caravaggio misstrauisch und wütend im Auge.
    Um sie herum brach jetzt zwischen den je dreißig Männern auf beiden Seiten ein allgemeiner Kampf aus. Das Klirren von Stahlklingen gegen Stahlklingen klang wie gleichzeitiges Geläute verstimmter Glocken in sämtlichen Kirchtürmen Roms.
    Ranuccio attackierte erneut mit einen Ausfallschritt nach vorn. Caravaggio parierte mit einer Drehung des Handgelenks und beugte sich über sein Knie nach vorn, um den Gegenangriff vorzutragen. Ranuccio konnte seinen Kopf nur knapp aus der Stoßrichtung bringen und attackierte wiederum.
    Die Klinge seines Gegners erschien Caravaggio wie eine Klaue, eine Schlange, die Ranke einer tropischen Schlingpflanze. Seine Kehle war trocken, und seine Füße bewegten sich unwillkürlich zurück aus der Gefahrenzone. Doch der Degen in seiner Hand zog ihn wieder dichter heran. Der Drang, seinen Gegner zu verwunden, war unwiderstehlich.
    Die Hefte ihrer Degen prallten aufeinander. Caravaggio duckte sich und stach Ranuccio von unten in den Hals. Dann hob er den Fuß und trat Ranuccio gegen die Kniescheibe.
    Er spürte, wie der kräftige Mann zu Boden sank, packte Ranuccios Führhand und holte mit der eigenen Klinge zum Stoß aus.
Ist es jetzt so weit? Erweise ich mich jetzt als so mörderisch, wie man mir zu sein nachsagt?
    Mit der Gewalt eines ausschlagenden Pferds traf ein Schlag seine Schläfe. Er stürzte und rollte über den Boden. Im Knien schlug er blindlings um sich, damit seine Angreifer ihm nicht näher kommen konnten, bis er wieder bei Sinnen war.
    Jemand packte ihn am Kragen. Onorio schrie ihm ins Ohr: «Ich habe dich, Michele.»
    Er zwinkerte heftig. Vor ihm stand ein Mann, den er als Ranuccios älteren Bruder kannte, der Soldat Giovan Francesco.
Er muss den
coup de cœur
ausgeführt haben, den entscheidenden Stoß.
Er empfand Erleichterung wie ein vom Galgen befreiter Mann. Er hatte nicht getötet.
    Caravaggio war jetzt wieder auf den Beinen, sah jedoch doppelt, und sein Kopf war schwer. Onorio bugsierte ihn zum Tor.
    Ranuccio lehnte an der Schulter seines Bruders. «Es ist noch nicht vorbei, Maler.» Seine Stimme klang gedehnt, undeutlich.
    «Wir braten deine Eier, du Abschaum.» Onorio gab den anderen Colonna-Leuten Zeichen, sich zurückzuziehen. Einige kamen zum Tor, saugten Schnitte aus oder verbanden sich Wunden. Die meisten lachten und tauschten mit den Farneseleuten im Hof Beleidigungen aus.
    Sie überquerten die Piazza. «Schnell, bevor die Patrouillen kommen.» Onorio rief einen

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