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Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Titel: Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beynon Rees
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hinter dem Palazzo kamen.
    Er führte sie in eine Galerie, von der aus man den Tiber überblicken konnte. Sie war schmal und lediglich fünfundzwanzig Schritte lang. An der Decke reizten und bekämpften sich die mythischen Götter.
    «Da oben in der Mitte, siehst du? Bacchus und Ariadne.» Er beobachtete, wie ihre Blicke langsam über die üppigen Farben wanderten. «Du kennst vielleicht nicht die Geschichten und vielleicht nicht einmal die Namen der Götter. Aber du weißt, was geschieht. Sie heiraten. Sie erleben die Freuden der Liebe. Es ist alles da. Mehr musst du gar nicht wissen. Du musst die Symbole gar nicht entschlüsseln.»
    Nachdenklich legte sie die Finger sanft auf ihren Busen. «Deshalb magst du diese Galerie?»
    «Ja, und auch, wie er mit dem Raum umgeht. Hast du nicht auch das Gefühl, dass sie alle von der Decke herunterfallen und auf dir landen? Sie wirken körperlich, obwohl sie eigentlich auf eine glatte Fläche gemalt sind.»
    «Weißt du, wie man so etwas macht?»
    «Ja, aber gelegentlich misslingt es mir. Annibale hat an dieser Decke keine Fehler gemacht.»
    «Annibale?»
    «Carracci. Der Maestro aus Bologna, der dieses Werk geschaffen hat.»
    «Kennst du ihn? Wie ist er so?»
    Es gefiel ihm, dass sie sich nach dem Charakter des Malers erkundigte.
Sie sieht das Menschliche in dem, was er gemacht hat. Fürsie ist dieses Werk keine bloße Dekoration.
Dann schaute er wieder in den Garten hinunter. Die restlichen Schwertkämpfer drängten in den Hof. Endlich ahnte er, dass er die Situation falsch eingeschätzt hatte. «Wir gehen jetzt lieber.»
    Sie gingen zur Loggia zurück. Die Meuchelmörder versammelten sich um eine gewaltige, überlebensgroße Herkulesstatue in der Arkade auf der anderen Hofseite.
    Er zog sie am Arm, aber sie bewegte sich nicht. «Du hast gesagt, dass du mir erzählen willst, warum du ein bisschen verrückt bist.»
    Er blickte über den Hof. «Annibale hat das Fresko vor drei Jahren vollendet. In ganz Rom galt es als Wunderwerk. Alle Maler meinten, es sei das Beste, was je gemacht wurde. Er hat daran vier Jahre lang für Kardinal Farnese gearbeitet. Der Kardinal hat sich nicht einmal bedankt. Er schickte nur einen Diener mit zweihundert Scudi in Annibales Gemächer.»
    «So viel?»
    Für dich, Mädchen, ja
. «Du verstehst das nicht. Ich bekomme genauso viel für ein Gemälde, für das ich nur drei Monate brauche.»
    «Dann wurde er also übers Ohr gehauen?»
    «Was auch immer ein Kardinal dir anbietet, ist das, was du bekommst. Man darf sich nicht beklagen, von einem Kirchenfürsten übers Ohr gehauen zu werden. Annibale drehte durch. Vier Jahre intensiver Arbeit für fast nichts. Jetzt sitzt er allein im Dunkeln, empfängt zu Hause keine Besucher mehr. Bald wird er tot sein.»
    «Was würdest du tun, wenn einer dieser Kardinäle das mit dir versuchen würde?»
    «Ich warte immer noch darauf, das herauszufinden.
Das
macht mich wahnsinnig.»
    ∗
    Die Schwertkämpfer drängten zum Eingang. Caravaggio kannte ihre Gesichter von den Tennisplätzen und vom Fußballspiel auf der Piazza Navona. Er hatte es jetzt eilig, den Palazzo zu verlassen. Er wollte verschwunden sein, bevor sich diese Männer in den Straßen verteilten.
    «Maler!» Ranuccio kam aus dem Haufen auf Caravaggio zugelaufen. «Ist das deine neue Schlampe?»
    Caravaggio zog Lena beiseite. «Ich habe keinen Streit mit Euch, Tomassoni.»
    «Das sehe ich anders.» Ranuccios Bruder gesellte sich zu ihm. Er richtete sich zu voller Höhe auf – ein Kopf größer als Caravaggio. «Ich glaube nicht, dass ich diese Nutte schon mal gesehen habe.»
    «Hütet Eure Zunge.»
    Ranuccio winkte mit seinen Handschuhen ab, als hätte Caravaggio einen schlechten Witz gemacht. Er musterte Lena. «Schöne dicke Titten. Mädchen, hat er dir erzählt, was mit Prudenza passiert ist? Seinem letzten Flittchen?» Er fuhr sich mit dem Finger über die Kehle.
    «Ihr seid kein Kavalier.» Lena klang trotzig, aber Caravaggio hörte das Zittern, das in ihren Worten mitschwang. Er musste sie von Ranuccio wegbekommen.
    «Dein Freund ist gewiss auch kein Kavalier. Aber das weißt du bestimmt schon.»
    Caravaggio packte Lena am Arm und schob sie zum Ausgang. Als sie um die Ecke bogen, glaubte er erst, dass der Weg versperrt sei, aber dann erblickte er Onorio unter den Schwertkämpfern, die durchs Tor hereindrängten.
    «Michele, was zum Teufel machst du da drinnen?»
    «Er hat mir Unterricht gegeben», sagte Lena.
    Caravaggio lachte erleichtert, weil

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