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Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Titel: Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beynon Rees
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dem Finger übers Ohr.
    Lena verschränkte ihre Finger in Caravaggios Hand. «Du hast mir die fertige
Loreto-Madonna
noch nicht gezeigt. Wann darf ich sie sehen?»
    Er starrte in seinen Becher. Jetzt gehörte sie immer noch ihm. Auf der Staffelei in seinem Atelier gehörte sie ihm.
    «Ich würde deine Madonna auch gern sehen», sagte Gaspare. «Damit ich ein Gedicht über sie schreiben kann.»
    Lena ist nicht so wie die anderen toten Mädchen. Ich werde sie beschützen
. Caravaggios Laune stieg. «Erlaubt mir, euch ein paar meiner eigenen Verse vorzutragen. Sie sind nicht so edel wie die Empfindungen unseres wahren Poeten Signor Gaspare, aber vielleicht passen sie besser in diese Umgebung.»
    Er hob den Becher und nahm einen langen Zug. Dann sagte er:
    «Gern schöb ich meinen heißen Prügel
    In Botticellis
Venus
hügel.»
    Seine Freunde brachen in schallendes Gelächter aus.
    «Doch die
Sacra Famiglia
, so rein und so heil,
    Michelangelo macht mich auf keinen Fall geil.»
    Onorio hämmerte mit den Handflächen auf die Tischplatte. «Wahre Poesie!»
    Caravaggio machte weiter. «Giovanni Baglione ––»
    «Jetzt kommt’s», sagte Prospero.
    «Giovanni Bagliones
Auferstehung
    Macht meinen Schwanz nicht dick.
    Doch Caravaggios
Katharina
    Wär ein guter Fick.»
    Mario mimte an Caravaggios Schulter einen Liebesakt.
    Caravaggio grinste.
    «Maestro Reni malte Moses mit den zehn Geboten.
    Micheles Madonna inspiriert mich zu zehn Zoten.»
    Lena lachte mit gut gelauntem, schönem Erschrecken. Caravaggio drückte ihre Hand.
    Gaspare hob die Arme. «Das Weib ist das wahre Kunstwerk. Gestattet Ihr? Meine Gnädigste, Menica Calvi ––»
    «– einen Scudo fürs Nicken», kicherte Mario.
    Gaspare versuchte es noch einmal. «Meine Gnädigste Menica Calvi ––»
    «– zwei Scudi fürs Ficken.»
    Lenas Nase berührte Caravaggios Bart. «Warum schreibst du nicht mal ein Gedicht über mich?»
    Er erhob sich so schnell, dass seine Hüfte den Tisch ins Wanken brachte. Seine Freunde hielten ihre Getränke fest. Er zog Lena am Arm. Sie stolperte ihm zur Tavernentür hinterher. Prospero johlte und machte mit dem Unterarm eine obszöne Geste.
    Caravaggio ging so schnell über den Corso, dass Lena laufen musste, um mit ihm Schritt zu halten. Sein Schweigen war so plötzlich wie roh, aber seine Gesichtszüge waren gefasst und entspannt. Er führte sie in sein Atelier.
    Vor der
Loreto-Madonna
stand Lena bewegungsloser als ihreigenes Abbild auf dem Gemälde. In der Stille glaubte Caravaggio die Röcke rascheln zu hören, als die Madonna ihre Hüften bewegte.
    «Maestro Raffael hat auf eine der Säulen in Sant’Agostino ein Fresko des Propheten Jesaiah gesetzt. Glaubst du, dass sich noch jemand nach Raffaels Werk umschauen wird, wenn man erst einmal meine Madonna in dieser Kirche aufgehängt hat? Man wird kommen, um dich zu sehen. Soll ich immer noch ein paar Knittelverse für dich schreiben?»
    Sie schüttelte den Kopf und ging rückwärts, bis sie auf sein Bett fiel.
    ∗
    Nachdem sie sich geliebt hatten, wickelte sie sich in seine Decke und stellte sich vor die
Loreto-Madonna
. «Diese beiden alten Bettler beten sie an. Aber sie gibt ihnen nicht ihren Segen.»
    Er stand vom Bett auf. «Die Madonna weiß, dass sie das Kind wieder ins Haus bringen sollte. Kraft ihrer Hingabe müssen die Bettler sie davon überzeugen, zu bleiben und sie zu segnen. Ich will, dass die Leute in der Kirche das sehen und verstehen, dass sie selbst aus der Religion Gnade ziehen müssen.
Sie
müssen die Jungfrau lebendig machen.
Sie
müssen sie wirklich werden lassen.»
    «Dann hast du ja Glück, dass ich nicht die Jungfrau bin. Da musst du dich nicht so anstrengen.»
    «Gut für mich.»
    «Ja, du hast es leicht.» Sie schlang die Decke auch um seinen nackten Körper. «Die alten Leute auf dem Bild erinnern mich an meine Großeltern.» Sie lehnte die Wange an seine Schulter. Ihr kastanienbraunes Haar fiel über ihre Brust und über die Nippel, die genauso dunkelrot waren. Er fuhr mit den Fingern hindurch. Es war das erste Mal, dass er ihre Haare so berührte.
    «Sind
deine
Großeltern noch unter uns?», fragte sie.
    Er erinnerte sich an die Augen seines Großvaters, als sein Vater sie dem Toten zugedrückt hatte. Seine Jahre im Palast der Marchesa, die Auseinandersetzungen mit Costanzas Söhnen, die Kälte seines Elternhauses, wenn er seine schwermütige Mutter besuchte. Die Hand, mit der er Lenas Haar liebkoste, war die gleiche, die an Fabrizios Hose gezerrt

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