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Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Titel: Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beynon Rees
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erfunden, eine in einer Galerie ausgestellte, heimtückische Neuheit, die nur er zu Gesicht bekam.
    Er fuhr mit den Fingerspitzen über die Zehen und die Beugung des Fußes seiner neuen Madonna. Er musste sie gehen lassen. Er küsste seine Finger und ging über die Treppe auf die Straße.
    Er erreichte die Taverna del Moro. Drinnen blinzelte er, um seine Augen an die Dunkelheit zu gewöhnen. Bei der Laterne am Tresen bewegte sich etwas. Es war eine Hand. Lena winkte ihm zu.
    ∗
    Sie tranken schweren Wein von der Vulkaninsel Ischia. Lena schmiegte sich an Caravaggios Schulter. Mit dem Becher in der Hand und seinen um den Tisch versammelten Freunden empfander einen Begeisterungsschub, der ihn überschwänglich und großzügig machte. Er liebte alle. Auf der anderen Tischseite knutschte Gaspare mit Menica. Mario Minniti stach seinen Dolch zwischen Onorios Finger in die Tischplatte, bis er die Haut ritzte. Onorio schlug Mario mit der flachen Hand auf die Nase und lachte, als sie blutete. Prospero leckte die Wunde an Onorios Daumen aus und knurrte dabei wie ein Hund.
    Onorio stieß Prospero weg und zog Caravaggio zu sich heran. «Komm, lass uns zocken.»
    Caravaggio winkte ab und trank mehr Wein.
    «Du hast deine Madonna vollendet. Du musst dich entspannen. Das machst du doch immer, wenn du ein Bild fertig hast.»
    «Ich kann nicht. Scipione hat bereits einen neuen Auftrag eingefädelt. Ich muss sofort damit anfangen. Heute Abend feiere ich, aber morgen stehe ich wieder in der Werkstatt.»
    Der Architekt kippte den Rest Wein herunter. «Was ist das für ein neuer Auftrag?»
    «Der
Tod Mariens
. Für die Unbeschuhten Karmeliten von Santa Maria della Scala.»
    «Das ist doch gar nicht dein Stil. Die Jungfrau schwebt zum Himmel empor, und ob des Wunders heben alle Jünger die Arme und schauen nach oben.»
    Caravaggio schlug seinem Freund auf den Arm. «Hältst du mich für Baglione,
Stronzo
? Ich werde sie nicht auf traditionelle Art malen. Ich werde sie als Tote malen.»
    Onorio schwieg aufmerksam.
    «Ich habe den toten Christus gemalt», sagte Caravaggio. «Warum nicht auch seine Mutter?»
    «Du kannst Jesus tot darstellen, weil wir wissen, dass er wiederkehrt. Kein Künstler hat den Tod der Jungfrau je anders dargestellt denn als eine glorreiche Himmelfahrt. Als sei sie gar nicht gestorben.»
    «Trotzdem, sie wird tot sein.»
    Onorios düstere Augen blickten mit einer solchen Böswilligkeit unter seinen Haarfransen hervor, dass Caravaggio der Atem stockte. «Dann müsste dein Modell für den Tod der Jungfrau also tot sein – um wirklich lebensecht zu wirken.»
    Obwohl Onorio nur gemurmelt hatte, verstummten Prospero und Mario. Sie beobachteten ihn, wussten, was in ihm vorging, und fürchteten sich davor. Caravaggio dachte an den Mann, der im Schwertkampf am Palazzo Farnese getötet worden war, und an Onorios skrupellose Behauptung, ihn umgebracht zu haben.
    «Gehen wir also los und besorgen dir eine Jungfrau. Gehen wir los und bringen eine Hure um.» Onorios Zähne schimmerten im Kerzenlicht.
    Im Handumdrehen war Caravaggio nüchtern. Seine Lippen zitterten, als er die Worte auszusprechen versuchte, die diesem Gerede ein Ende machen würden.
    Onorio reckte plötzlich die Arme hoch und brüllte: «Hab dich reingelegt, du Arschloch. Ich hab dich reingelegt.» Er packte Caravaggio am Arm und küsste ihm die Stirn. «Ich hätte dich fast dazu gebracht.»
    Das Gelächter am Tisch klang erleichtert und zugleich erschrocken. Onorio gab Caravaggio einen leichten Schlag auf den Bauch. Sein Magen verkrampfte sich, als hätte der spielerische Schlag ihn ausgeweidet.
    «Bei Jesus, ich wäre fast gestorben», sagte Mario.
    Onorio beugte sich über den Tisch, erhob sich halb und gab Mario einen Kuss auf die Wange.
    Lena hielt Caravaggios Hand. «Ich würde es tun, Michele. Ich würde die tote Jungfrau sein.»
    Sein Puls raste immer noch wegen Onorios Scherz. Als sie redete, wurde er noch schneller.
Ich könnte es nicht einmal mit ansehen, wenn sie nur so täte, als sei sie tot
.
    «Mir hat es Spaß gemacht, Modell zu stehen», sagte sie. «Eshat mir gefallen, dass du mir erzählt hast, was sich die Jungfrau so denken mag. Dass ich mir die Gedanken der Madonna vorstellen und auf meinem Gesicht ausdrücken konnte. Es wird überhaupt nicht schwer sein, die tote Jungfrau zu sein. Ich muss einfach nur da liegen.»
    «Dann sollte Menica es lieber machen», sagte Mario. «Damit verdient sie ihren Lebensunterhalt.»
    Menica strich sich mit

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