Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Titel: Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beynon Rees
Vom Netzwerk:
und nach seinem Hinterteil gegriffen hatte.
Alles ist anders
, sagte er zu sich selbst.
Ich bin so wenig an das Leben gebunden, das ich geführt habe, wie meine Kunst in der Knechtschaft von Bildern steht, die vor langer Zeit gemalt wurden
. Er schüttelte den Kopf. «Es gibt niemanden mehr.»
    «Keine Eltern? Keine Brüder oder Schwestern?»
    «Niemanden.»
    Er spürte, wie sich ihre Wange enger an seine Brust schmiegte.
    «Armes Kind», sagte sie. «Alle, die du geliebt hast, mussten sterben.»

4
Tod Mariens

    Durch ein hohes Fenster fiel Licht auf die Glatzen der Apostel. Caravaggio machte sich einen Spaß daraus, Onorio Modell für den heiligen Johannes stehen zu lassen, weil dieser für seine Sanftmut bekannt gewesen war. Im Vordergrund saß Menica zusammengesunken als weinende Magdalena. Ein roter Baldachin war das einzige Zeichen von Reichtum in der armseligen Unterkunft, in die Caravaggio die Szenerie seines neuen Gemäldes verlegte.
    Er arbeitete schon seit Monaten an der Leinwand, hatte aber in die Grundierung mit dem Pinselstiel lediglich einen Umriss an die Stelle gekratzt, wo die Mutter Gottes liegen sollte. Er brachte es einfach nicht über sich, Lena, ausgestreckt auf einem einfachen Bett, als Leiche zu malen. Wenn er sie sah, erinnerte sie ihn stets ans Leben, nicht an den Tod.
    Je mehr Fortschritte der
Tod Mariens
machte, desto sichtbarer wurde Lenas Schwangerschaft. Um sie zu suchen, ging er auf den Markt auf der Piazza Navona. Gegen die feuchte Winterkälte hatte sie sich in einen dicken Umhang gehüllt. Sie rief den Preis für die Zwiebeln aus, die zu ihren Füßen im Korb lagen. Die Kälte griff ihren Hals an, sie hustete qualvoll und legte die Hände auf ihren Bauch. Ein junger Händler schob eine leere Karre an ihr vorbei. Er sagte ein paar Worte, grinste über ihren Schwangerschaftsbauch und schob die Hüften vor. Sie schnippte mit den Fingerspitzen unter ihrem Kinn entlang, um die Beleidigung zu kontern.
    Als Caravaggio sie fand, erschrak er über die Blässe ihrer Haut.
Ich habe so lange auf die Liebe gewartet
, dachte er.
Jetzt kann ich sie kaum spüren, weil ich fürchte, sie zu verlieren. Vielleicht ist das nur gerecht.
Es war, als müssten seine Gefühle für Lena gegen all die bitteren Gelüste seiner Vergangenheit aufgewogen werden.
    «Mein Füße sind geschwollen», sagte sie. «Mama sagt, dass das Frauen bei fortgeschrittener Schwangerschaft passiert. Du beeilst dich jetzt mal lieber und malst mich in dein Bild, oder du wirst eine Madonna mit Kind daraus machen müssen.»
    Er stieß warmen Atem aus wie Rauch. Er stellte sich vor, wie sie tot, von allem Leid erlöst, in die leere Stelle seines Gemäldes hineinsank. Wie konnte er ihren Tod darstellen? Er hatte immer nur nach dem Leben gemalt. Er dachte an Onorios makaberen Witz in der Taverne. Er seufzte und schloss die Augen.
    «Michele? Was ist los?»
    Er hob ihren Korb auf. Er hatte Angst, weil der Gedanke an ihren Tod ihn erschreckte und zugleich befriedigte.
Es würde mich zerstören, aber es ist die Strafe für das Leben, das ich geführt habe.
«Im Winter sollte ich dir das verbieten. Du trägst mein Kind. Für eine Frau in deinem Zustand ist der Markt nicht der richtige Ort.»
    «Ist zwischen dir und Ranuccio etwas vorgefallen?», fragte sie.
    «Nein, es ist nichts.»
Ich selbst bin die einzige Person, die mich terrorisiert.
Er schleppte den Korb von der Piazza.
    Als er sich am Haus in der Via dei Greci von ihr verabschiedete, warf ihre Mutter ihm einen verächtlichen Blick zu und schloss die Tür.
Das habe ich verdient. Sie weiß, dass ich ihre Tochter nie heiraten werde. Ich bin auch nicht besser als der andere Abschaum im Ortaccio
. Aber als er durch die Kälte davonschlich, stellte er sich vor, wie Lena sich vom Totenbett, das er für sie gemalt hatte, erheben würde. Sie erleuchtete seine unwürdige Leinwand. Er ging in die Taverna del Moro und küsste Menica so heftig, dass sie kicherte und errötete. «Ich werde Vater», sagte er.
    Entschlossen, Lena vom Markt zu holen, ging er am nächsten Tag wieder zur Piazza. Er wollte sie in sein Atelier bringen, Feuer machen, um sie zu wärmen, und sie dann wieder malen. Auf einer Holzplattform pries ein Quacksalber lautstark einen Topf mit Pulver an, das angeblich von Würmern befreien sollte. Die Tochter des Quacksalbers stampfte neben ihm mit den Füßen auf den Boden und spielte dazu Geige. Sie zitterte, und ihre Haut war grau.
Lena sieht genauso ungesund aus
, dachte

Weitere Kostenlose Bücher