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Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Titel: Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beynon Rees
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Caravaggio.
Soll ich sie etwa weiter auf dieser Piazza Gemüse verkaufen lassen, nur damit sie krank genug aussieht, um die Leiche der Jungfrau auf meinem Gemälde zu mimen?
Der Scharlatan schrie noch lauter, um gegen die Stimmen der Frauen anzukommen, die sich in der Nähe stritten. «Ich habe hier einen Rettich, dessen Zauber Zahnschmerzen vertreibt!», rief er.
    Caravaggio folgte dem Gekreische und Gekeife aus der Ecke, wo sein Mädchen stand. Lena schwankte und hatte sich die Hand auf die Stirn gelegt. Drei Frauen, die Köpfe in Schals gewickelt und die Gesichter verschleiert, beschimpften sie. Eine der Frauen schlug ihr heftig auf den Bauch.
    Er trat der Frau, die Lena geschlagen hatte, in den Hintern. Sie stolperte und fuhr ihn an: «Ah, du bist das, Maler. Mein Ranuccio macht dich und deine Straßenhure fertig.»
    Er zitterte in plötzlicher, hilfloser Wut. Er griff zu ein paar von Lenas Zwiebeln und schleuderte sie auf die Frauen der Tomassoni. Jeder Wurf traf ins Ziel, und die Frauen suchten schreiend und fluchend das Weite. Lena saß hinter dem Korb auf dem Pflaster und wiegte sich mit zusammengepressten Augen vor und zurück.
    Er hockte sich neben sie. «Lass mich dich von hier wegbringen. Diese Arbeit bringt dich um, Lena.» Er dachte an den glücklichen Moment, als er mit Menica gelacht hatte, und beschloss, ihr einen Antrag zu machen. «
Amore
, ich will, dass du und ich –»
    «Sie haben mich nicht angegriffen, weil ich Zwiebeln verkaufe, Michele.» Ihr Gesicht war hellgrün, und ihre Hände waren grau.
    Er berührte ihren Bauch. In ihrem Zustand konnte der Schlag, den die Tomassoni ihr versetzt hatte, gefährlich sein. Seine Augen blickten feucht und verloren.
    Sie runzelte stöhnend die Stirn.
    Seine Hoffnungen auf Vaterschaft und die Aussicht, Lena sogar zu heiraten, waren trügerisch. Ihr Verhältnis mit ihm brachte sie in Gefahr. Ranuccio hatte die Frauen aus seiner Familie sicherlich losgeschickt, um Lena mit der Absicht zu attackieren, Caravaggio in ein Duell zu locken.
    «Ich bring dich nach Hause.» Er versuchte, ihr aufzuhelfen.
    «Heb erst die Zwiebeln auf, mit denen du nach den Frauen geworfen hast.»
    «Das kann ich nicht. Das ist unter meiner –»
    «Heb sie auf, Michele.» Sie sagte das scharf, zuckte zusammen und umschlang ihren Leib.
    Voll heißer Beschämung sammelte er das Gemüse ein, half Lena auf die Beine und spürte, als sie sich auf seinen Arm stützte, wie schwach sie war.
    «Ihr habt eine vergessen, Maestro.» Baglione saß auf der Kante des Tritonenbrunnens. Er hielt eine Zwiebel hoch und drehte sie im Licht. «Bisschen schmutzig. Aber das macht sie für einen Eures Schlags erst richtig gut. Stillleben mit verschimmeltem Gemüse und verfaulten Früchten.» Er ließ die Zwiebel über das schmutzige Pflaster zu Caravaggio rollen.
    Lena fasste Caravaggio am Kinn und zog seinen Kopf zu sich heran. «Bring mich nach Hause, mein Herz.»
    ∗
    Am nächsten Tag lief er den Corso entlang und merkte kaum, dass er im Gehen ihren Namen rief. Sein weißer, farbverschmierter Malerkittel bauschte sich hinter ihm. Ein berittener Kavalier machte zu einem Freund eine Geste, als höbe er einen Weinkrug. Sein Begleiter ließ an seiner Schläfe den Finger kreisen.
    Im Haus an der Via dei Greci schaukelte Menica Lenas Neffen auf ihren Knien. Unter Tränen murmelte Mutter Antognetti Bittgebete, als Caravaggio hinter dem Vorhang an Lenas Bett trat.
    Sie schlief so erschöpft, dass man sich an den gemarterten Körper Christi am Kreuz erinnert fühlte. Ihre Haut war kränklich gelb wie Nudelwasser, ihr Haar strohig und zersaust. Ein Arm hing aus dem Bett heraus, der andere lag auf ihrem aufgetriebenen Bauch. Das rote Kleid spannte über ihrem Körper, die Füße waren geschwollen. Unterhalb des Halses, wo sich bereits ein kleines Fettpolster zur Ernährung des Fötus gebildet hatte, war die Haut schlaff. Aufgedunsene Falten umgaben die Augen, als hätte sie zum ersten Mal in ihrem Leben geschlafen.
    Als er von der Geburt geträumt hatte, hatte er sich Lena so erschöpft und ausgezehrt vorgestellt. Er hatte sich ausgemalt, dass sie auf die Ellbogen gestützt das Baby an ihrer Brust wiegen und sich ausruhen würde, während seine Freunde das Kind bewundern würden. Aber der Herr hatte ihm sein Kind genommen.
Meine Sünden haben diese Strafe verdient
, dachte er. Die Strafe war zwar Lenas Körper auferlegt, doch galt sie der Züchtigung seiner monströsen Seele.
    Er schaute sie lange an. Einmal

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