Mit dem Wolf in uns leben. Das Beste aus zehn Jahren Wolf Magazin (German Edition)
starrten, zu erstaunt, um irgendetwas zu tun, sahen wir noch einmal die Nase des Wolfes hart gegen das Glas stoßen, bevor das Gesicht sich aus dem Lichtschein zurückzog. Wir hörten knirschende Schritte im Schnee an der Ecke des Hauses – dann Ruhe. War er fort? Wir kratzten ein Loch in das Eis vom Südfenster und fanden uns wieder mit dem Wolf Blicke austauschend. Das Dach von unserem hügelartigen Gewächshaus lehnt genau mit dem Südfenster an das Haus. Der Wolf war eine Schneewehe hinauf auf das Gewächshaus geklettert und saß nun an das Fenster gelehnt, während er über seine Schulter zurück nach uns schaute.
Nun begann hektische Aktivität: Wir sammelten Hühnerreste, Soße, Butter und heißes Wasser, schlüpften in unsere Parkas und eilten hinaus, um zu sehen, was der Wolf wollte. Gary warf das Huhn auf das Dach des Gewächshauses und schob die Schüssel mit den Soßenresten mit einem Schneeschieber auf ihn zu. Ich stand zur Rückendeckung mit der Taschenlampe hinter Gary. Wir glaubten nicht, dass ein normaler Wolf einen Menschen angreifen würde. Aber dieser Wolf tat etwas, wovon wir noch nie gehört hatten. Wir wussten nicht, was wir erwarten konnten. Der Wolf beobachtete nur. Er schaute wachsam zuerst auf uns, dann auf das Essen.
Nun neue Ungewissheit. War er vielleicht unterkühlt? Wollte er hereinkommen? Konnte er? Wie konnten wir ihn überhaupt hinein bekommen? Diesen Wolf, den wir die ganze Woche beobachtet und uns um ihn gesorgt hatten, konnten wir nicht einfach dort lassen. In dieser stillen, mondlosen Nacht betrug die Temperatur etwa 30 Grad Celsius unter Null. Sicherlich würde es helfen, ihn an einen wärmeren Ort zu bringen. Gary brachte eine Decke, ging langsam entlang der Kante des Gewächshauses hinter den Wolf und warf sie über den Rücken des Tieres. Der Wolf sprang auf und legte sich danach wieder. Wir dachten, wir könnten ihn vielleicht einfangen. Darum ging ich zum Stall, um den Ofen anzumachen. Ich glaubte, dass der Stall vielleicht der richtige Platz für ihn wäre. Gary holte die grüne Decke. Als ich zum Haus zurückging, kam Gary um die Ecke und trug ein in Decken gewickeltes Bündel. Er hatte die Decke über den Wolf geworfen und, als er keine Abwehrreaktion spürte, sie um das Tier gewickelt und ihn über das glatte Dach an die Kante gezogen. Er schaute noch einmal unter die Decke, um zu sehen, wo der Wolf war, und deckte ihn erneut zu. Dann hob er ihn auf seine Arme. Der Stall war vergessen. Ich öffnete die Tür, und Gary trug ihn hinein. Als ihn langsam seine Kräfte verließen, legte er den Wolf sacht auf den Wohnzimmerboden. Er nahm die Decke fort und ging zurück. Der Wolf schaute sich halb betäubt um. Fünfundzwanzig Minuten nach dem Klopfen am Fenster war er in unserem Haus.
Was nun? Zuerst mussten wir Tom holen. Er ist unser Freund und Nachbar, der einzige Nachbar innerhalb von zwölf Meilen, und wir wussten, dass er dabei sein wollte. Auf Schneeschuhen machte ich mich auf den eine halbe Meile langen Weg. Ich war froh über die Gelegenheit, die Ereignisse der Nacht zu überdenken. Im Sternenlicht war der Weg nur vage sichtbar. Die Kälte, die an meinen Lungen zerrte, ließ die Bäume knacken, das einzige Geräusch, das die Stille durchbrach. Ein Meteor schoss über den Horizont, wo die dunkle Form von Toms Hütte schimmerte. Tom war durch meine Begrüßung ein wenig überrascht: „Eil dich! Da ist ein Wolf in unserem Haus.“ Und bevor ich eine Chance hatte, ihm die ganze Geschichte zu erzählen, war er schon zum Abmarsch bereit.
In der Zwischenzeit traf Gary Vorbereitungen für den Fall, dass der Wolf aktiver werden würde. Er legte mehr Holz in den Ofen, teilte das Wohnzimmer so gut wie möglich ab und räumte zerbrechliche Sachen auf die Seite. Als Tom und ich ankamen, waren die kleinen Eisstücke, die das Fell des Wolfes bedeckt hatten, getaut. Wir beobachteten ihn, wie er sich aufsetzte, umherschaute und zu der schmalen Stelle zwischen Sofa und Ofen ging. Dort legte er sich hin, den Kopf und die Schultern gegen das Sofa gelehnt, uns zugewandt.
Wir drei saßen in der Küche und flüsterten. Wir wollten ihn so wenig wie möglich stören. Wir waren aufgeregt, ehrfürchtig und – zumindest ich – ein wenig besorgt. Was sollten wir tun? Es war 3:30 Uhr Samstagmorgen. Wir beschlossen, bis zum Morgengrauen zu warten.
Unsere kurzen Blicke in das Wohnzimmer wurden vom ständigen Blick aus diesen leuchtend goldenen Augen erwidert. Schließlich wurde die
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