Mit dem Wolf in uns leben. Das Beste aus zehn Jahren Wolf Magazin (German Edition)
Perch-Lake-Rudel.
Vier Jahre später blüht und gedeiht die Wolfsfamilie. Wölfin 2473 hat eine Tochter, die die neue Leitwölfin der Familie wird. Ihr Partner ist ein Rüde, der hinzugekommen ist, nachdem ihr Vater während der Jagd- und Fallensaison 1974 verschwunden war. Bis 1985 werden diese Zwei die Leitwölfe bleiben. Sie sind auch die Eltern sämtlicher Nachkommen des Rudels, von denen viele von Forschern beobachtet werden.
Drei Welpen, die im Frühjahr 1982 geboren werden, bekommen Radiohalsbänder. So wie die meisten jungen Wölfe verlassen sie schließlich ihr Heimatrevier zu unterschiedlichen Zeiten und entlang verschiedener Routen. Wolf 6441 verlässt das Gebiet im Mai 1983, gerade ein Jahr alt. Acht Monate später wird er von einem Trapper in Ontario, einhundertfünfzehn Meilen nordöstlich, getötet. Wölfin 6443 verlässt ihr Territorium mit eineinhalb Jahren und lässt sich südöstlich vom Heimatgebiet nieder. Sie findet einen Partner, aber ihre Bemühungen, Junge großzuziehen, misslingen offensichtlich. Sie kehrt allein in ihr altes Revier zurück. Und sie bleibt auch hier größtenteils allein.
Ihr Bruder, Wolf 6530, der der Wolf an unserem Fenster werden sollte, bleibt bei seiner Familie, bis er etwa zwei Jahre alt ist. Dann beginnt er abzuwandern. Drei Monate lang erforscht er den Wald im Westen. Schließlich zieht er nach Nordosten, und im August ist er in der Nähe von Alice Lake, etwa fünfunddreißig Meilen von Zuhause entfernt. Die Forscher hoffen, dass er hier eine Partnerin findet und sein eigenes Revier gründet. Aber im Frühjahr 1985 kehrt er zum Perch-Lake-Rudel zurück. Er bleibt zwei Monate bei ihnen, über seinen dritten Geburtstag hinaus. Im Juni ist er zurück in seinem Alice-Lake-Jagdgebiet.
Im gleichen Monat – auf einem Kanutrip in der Boundary Waters Canoe Area – sind wir begeistert, frische Wolfsspuren und Kot auf einer Portage zu finden, von der wir später erfahren werden, dass sie nur drei Meilen von dem Punkt entfernt ist, den Forscher für Wolf 6530 aufgezeichnet haben. Schon früher hatten wir Wolfszeichen in dieser Gegend gesehen. Es ist möglich, dass sich Wolf 6530 in dem Territorium, das bereits von einem Rudel besetzt war, nicht willkommen gefühlt hat, und dass er darum seine Wanderschaft fortgesetzt hat. Die Biologen von der Luftüberwachung beobachteten ihn im August, zwölf weitere Meilen südwestlich und im September sehr dicht bei seinem Heimatgebiet.
Aber später in diesem Monat legt Wolf 6530 erneut die Entfernung zum Alice-Lake-Gebiet zurück, wo er sich auch im Oktober noch aufhält. Dann verliert sich sein Signal. Sein Aufenthalt bleibt unbekannt, bis er einen gefrorenen Rehkadaver an unserer Hütte findet, fünfundzwanzig Meilen südöstlich vom Perch-Lake-Rudel.
Der junge, weit gereiste Wolf 6530 lag auf dem Boden und war erschreckend krank. Sein Atem kam mit grollendem Schnaufen. Wieder stand er auf und lehnte sich – schmerzhaft – direkt an den Ofen. Der Geruch von versengtem Haar füllte den Raum, als Gary hineilte, um ihn fortzuziehen. Der Wolf stakste in die Mitte des Zimmers und brach dort zusammen. Dreimal streckte er sich mit heftigen Krämpfen auf dem Boden aus. Nach jedem schrecklichen, rasselnden Atemzug kam ein erschreckender Augenblick ohne Atem. Dann, krampfartig, ein gurgelndes Keuchen. Seine Lippen und Zungen wurden blau. Wir saßen dicht bei ihm und strengten uns mit ihm an, als er nach Atem rang.
Seine Pfoten berührten seine Schnauze. Er versuchte, aufzustehen, was ihm halb gelang. Er lag mit erhobenem Kopf und atmete leichter, aber dann kam eine neue krampfartige Welle. Wir klammerten uns an jeden langen Augenblick zwischen dem Ausatmen und dem keuchenden Einatmen. Aber dann streckte sich einer dieser Augenblicke zu lange hinaus, und Garys Berührung konnte ihn nicht mehr länger bewegen. Während wir neben seinem Kopf knieten, konnten wir sehen, wie sich seine Augen veränderten. Der Mittelpunkt verlor sich, und das Gelbe verschwand, als die Pupillen groß wurden. Wir konnten tief in sie hineinschauen und das Licht des Sonnenaufgangs in einem grünen Schimmer reflektieren sehen.
Wir saßen eine ganze Weile dort und trauerten, und wir schauten ihn uns näher an. Sein dickes Winterfell hatte das Ausmaß seiner Auszehrung versteckt. Unter ihm traten die Knochen hervor. Er wog fünfundfünfzig Pfund, hätte aber mindestens fünfundsiebzig Pfund wiegen müssen. An seiner Unterlippe war ein Riss, eine alte Wunde. Seine
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