Mit dem Wolf in uns leben. Das Beste aus zehn Jahren Wolf Magazin (German Edition)
bis es 1995 zwei neue Fälle gab. Betroffen waren eine junge Frau von zwanzig und ein Junge von neun Jahren. Der Letztere wurde ziemlich schwer in die Seite gebissen, während er nachts einen Wanderweg entlang ging. 1996 betrat ein furchtloser Wolf nachts einen Campingplatz und schlug seine Fänge in den Kopf eines zwölfjährigen Jungen, der im Freien schlief. Er wurde mehrere Meter mitgeschleift. Beide Wölfe wurden erschossen und auf Tollwut getestet, das Ergebnis war negativ.
Im Juli 1988 wurde Meike Marsh außerhalb seiner Hütte am Tibbles Lake, westlich von Quesnell, British Columbia, unsanft geweckt, als ihn ein Wolf aus seinem dicken Schlafsack zog. Der Wolf zog sich ein paar Schritte zurück als Meike schrie. Als sein Bruder aus der Hütte kam und beide Männer den Wolf anschrien, lief das Tier langsam außer Sichtweite. Der Wildbeamte AI Lay glaubte, dass der Wolf daran gewöhnt war, an einer nahe gelegenen Müllhalde zu fressen und dass er den Schlafsack mit Müll verwechselt haben könnte. Ein Wolf - vermutlich dasselbe Tier – wurde später von einem ortsansässigen Rancher erschossen.
Ähnliches geschah am 17. August 1996 im Algonquin Provincial Park in Ontario, Kanada. Dort holte ein Wolf den elf Jahre alten Zachary Delventhal aus seinem Schlafsack. Als er ihn fortziehen wollte, schnappte er den Jungen ins Gesicht und verursachte eine Wunde, die mit achtzig Stichen genäht werden musste. Mech ist der Auffassung, dass der Wolf versucht haben könnte, nicht den Jungen, sondern seinen Schlafsack zu greifen.
Mech selber hat die letzten dreizehn Sommer damit verbracht, mit einem Rudel von sechzehn wilden Wölfen in der Arktis, sechshundert Meilen vom Nordpol entfernt, zu leben. Nur die dünne Nylonwand seines Zeltes trennte ihn von den Wölfen. Keiner von ihnen hat Mech jemals Furcht eingeflößt. Gelegentlich versuchten die Wölfe, seinen leeren Schlafsack aus dem Zelt zu ziehen. Ein anderes Mal versuchten sie, mit einem Schlafsack davon zu rennen, den er in der Tundra gelüftet hatte. Wölfe scheinen – ebenso wie Hunde – von weichen, lockeren und pelzähnlichen Gegenständen angezogen zu werden, mit denen sie spielen oder die sie auseinanderreißen. Unabhängig von der Absicht des Wolfes bei dem Zwischenfall im Algonquin-Park, ist der entscheidende Faktor, dass die Tiere sich an Menschen gewöhnt hatten. Einige Tage vor dem Angriff auf Zachary war der Wolf mit Rucksäcken, Tennisschuhen und anderen menschlichen Gegenständen davongerannt. Er hatte sogar menschliches Essen gefressen.
Mit anderen Worten, ebenso wie Bären, die sich von Müllhalden, aus Mülleimern oder von Funden auf Campingplätzen ernähren, so hatte dieser Wolf nicht nur seine Angst vor Menschen verloren, er wurde dafür auch noch belohnt. Während diese Kombination der Umstände nicht immer zu Zwischenfällen führt, bei denen Menschen verletzt werden, so scheint es eine prädisponierte Kondition zu sein. Einfach ausgedrückt: Es ist kein Grund dafür, dass Wölfe Menschen verletzen, aber es scheint eine notwendige Voraussetzung dafür zu sein.
Wesentlich beunruhigender jedoch als die oben beschriebenen Zwischenfälle sind Ereignisse in Europa und Asien, wo Wölfe offensichtlich Menschen getötet und verletzt haben. Seit Jahrhunderten kommen diese Berichte aus Russland, China, dem Mittleren Osten und sogar Spanien und anderen europäischen Ländern. Viele dieser Berichte stammen ohne Zweifel von tollwütigen Wölfen, die – ebenso wie Hunde, Eichhörnchen oder Stinktiere – Menschen angreifen. Viele andere Berichte sind eindeutig Erfindungen oder extreme Übertreibungen, so wie der Zeitungsbericht von 1911 aus Taschkent, der behauptete, dass Wölfe eine komplette Hochzeitsgesellschaft von einhundertdreißig Menschen getötet hätten.
Solche offensichtlichen Erfindungen neigen dazu, ernsthafte Berichte, die nützlich sein könnten, zu verschleiern. Trotz allem sind jüngste Berichte von Wölfen, die in Indien Menschen getötet haben, von qualifizierten Fachleuten untersucht worden und scheinen wahr zu sein. Von März bis Oktober 1996 wurden angeblich vierundsechzig Kinder von einem oder mehreren Wölfen im indischen Bundesstaat Uttar Pradesh getötet. Dr. Yadvendra-dev Jhala, ein in den USA trainierter Wolfsbiologe, der Wölfe in seinem Heimatland Indien studiert, untersuchte diese Berichte und versuchte zu bestimmen, ob ein anderes Tier außer dem Wolf oder Wölfen an der Tötung beteiligt war.
Im März und April 1997
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