Mit den scharfen Waffen einer Frau
bestens. Denn …“ Lauter beendete sie den Satz: „… ich hab’s geschafft!“ Sie betrat die kleine Plattform am anderen Ende des Seils und warf die Arme in Siegerpose in die Luft. „Ich hab’s geschafft! Ganz allein!“
Sicher, dachte er trocken und wusste natürlich, dass es ohne seine Anweisungen nicht geklappt hätte. Aber er wollte kein Spielverderber sein. „Ja, Sie haben es geschafft. Aber genug gefeiert. Wir gehen jetzt zur Kletterwand.“
„Wow, das wird mir noch mehr Auftrieb geben.“
„Erwarten Sie etwa, dass ich Ihnen gratuliere? Erledigen Sie erst einmal alle Aufgaben, dann reden wir weiter. Und jetzt klettern Sie gefälligst runter, nehmen diesen kläffenden Winzling, und kommen mit zur Wand.“
„Ich soll wirklich eine Wand hinaufklettern?“ In diesem Moment wirkte sie wie ein Kind, das unangekündigt vor eine schwierige Aufgabe gestellt wurde. Doch gleich darauf hob sie trotzig das Kinn und sagte bloß: „Na gut. Legen wir los.“
„Nicht, dass ich noch anfange, Sie zu mögen“, murmelte er und sah mit Genugtuung, dass seine Bemerkung sie überraschte.
„Danke.“
Er blickte ihr entgegen, als sie von der Plattform kletterte und mit federnden Schritten auf ihn zukam. Der kleine Hund sprang wild auf und ab und zog ungeduldig am anderen Ende der roten Leine. Jericho blieb nichts anderes übrig, als ihn von der Leine zu lassen. Wie der Blitz raste der Pudel auf Daisy zu. Fröhlich streichelte sie den Hund, während sein Schwanz vor lauter Freude hin und her wackelte.
Kurz dachte Jericho, dass er dem Tier seine Reaktion nicht einmal übel nehmen konnte. Eigentlich beneidete er den kleinen Hund sogar.
„Jericho?“
Ihre Stimme klang etwas verwirrt. Er runzelte die Stirn. „Was?“
Herausfordernd lächelte sie ihn an. „Na, wo sind Sie denn mit Ihren Gedanken? Als ich Sie gerade angesprochen habe, schienen Sie ganz woanders zu sein.“
Wie demütigend. „Ich habe gerade über die Übungen an der Kletterwand nachgedacht“, log er.
„Oh, okay.“ Sie klang etwas enttäuscht, beließ es aber dabei und fügte hinzu: „Na dann. Bringen wir es hinter uns!“
Bringen wir es hinter uns . Hm. Genau das war eigentlich sein Plan gewesen. Sie über den Parcours zu scheuchen, damit sie gnadenlos durchfiel und er sie anschließend fortschicken konnte. Jetzt hatte sich dieser Plan geändert. Jericho wusste nur nicht, wie oder warum.
Nikki lief vor ihnen her.
„Also“, fragte Daisy, „wieso sind Sie gerade so ausgeflippt, als ich den Vorschlag mit den Kindern gemacht habe?“
„Ich bin nicht ausgeflippt“, widersprach er prompt, dachte aber über ihre Frage nach. Ein Mann, der Jahre beim Militär verbracht hatte, flippte bei der Vorstellung, dass Kinder in seinem Camp Amok liefen, eigentlich nicht aus . „Der Vorschlag hat mich einfach nur … überrascht.“
Sie schob einen Zweig beiseite und duckte sich im Gehen. „Wissen Sie, dort, wo ich gewohnt habe, waren viele Kinder. Die hätten es hier geliebt.“
Er beobachtete, wie sie sich umsah. Die Strahlen der Morgensonne fielen jetzt auf die Wipfel der Pinienbäume. Ein leichter Wind strich durch die Äste, und oben am Himmel zog ein Waldvogel seine Kreise.
In den Wäldern war Jericho ganz bei sich. Die Natur stillte seine Sehnsucht nach Ruhe und Frieden. Allein beim Gedanken an eine Horde Teenager, die in seinen Zufluchtsort einbrach, schauderte er. Daisy hingegen schien die Vorstellung durchaus zu gefallen.
„Stadtkinder haben doch überhaupt keine Ahnung, dass es eine Welt ohne Straßen und Gehwege gibt“, sagte sie wehmütig. „Wahrscheinlich haben sie noch nie so einen Sternenhimmel gesehen oder eine solche Stille erfahren.“
„Dieser Ort ist überhaupt nicht für Kinder und Jugendliche geeignet“, entgegnete er und führte sie an einem Steinhaufen vorbei. „Das hier ist ein Trainingscamp für Führungskräfte. Unsere Aufgabe ist es, Firmenbossen ein Gespür dafür zu geben, wie man ein Team leitet. Wie man sich gegenseitig vertrauen und voneinander lernen kann. Wie man Probleme in Herausforderungen umwandeln kann.“
„Also alles, was Kinder auch lernen müssen.“
„Aber nicht von mir“, betonte er. Was sollte er mit einem Haufen wild gewordener Minderjähriger, die die Berge unsicher machten? Himmel, allein die Haftpflichtbedingungen waren undenkbar.
„Sie reden abgeklärter, als Sie in Wahrheit sind, Jericho King.“
Er hob eine Augenbraue und warf Daisy einen ernsten Blick zu. „Machen Sie sich
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