Mit den scharfen Waffen einer Frau
amüsiert. „Es ist dafür gemacht zu schwingen.“
„Ich verstehe nicht, was das mit Überlebenstechnik zu tun haben soll“, murmelte sie, während sie sich mit den Händen an den Seilen rechts und links von ihr vortastete. Gleichzeitig rutschte sie mit den Füßen ein paar Zentimeter weiter nach vorne.
„Wenn Sie auf die andere Seite des Flusses müssten, wüssten Sie, warum.“
„Ich würde schwimmen.“ Sie lächelte flüchtig.
„Sie machen das schon ganz gut. Achten Sie auf Ihre Füße! Immer einen vor den anderen.“
„Ich weiß“, sagte sie und schluckte. „Gut, dass Sie mich gezwungen haben, andere Schuhe anzuziehen. Mit meinen hätte ich das nie geschafft.“
Lächelnd folgte er ihr weiter. Der Hund, den er an der Leine führte, bellte und sprang in die Höhe, um Daisy zu erreichen. „Wie schaffen Sie es eigentlich, sich zu konzentrieren, während der Hund sich hier die Seele aus dem Leib bellt?“
„Ich bin daran gewöhnt. Nikki ist einfach sehr lebhaft“, erklärte sie, als sie plötzlich mit einem Fuß vom Seil rutschte. Sie keuchte erschrocken, riss sich aber wieder zusammen und fand das Gleichgewicht schnell wieder. „Oh Mann, das war knapp.“
„War es.“ Er mochte es sich nicht ausmalen. Doch ihm war bewusst, dass er enttäuscht gewesen wäre, wenn sie hinuntergefallen wäre. Er hatte Hunderten dabei zugesehen, wie sie über dieses Seil balanciert waren. Trotzdem hatte er bisher bei keinem Teilnehmer persönlich so sehr Anteil genommen.
Jericho schüttelte unmerklich den Kopf. Allmählich dämmerte ihm, dass er ein Problem hatte. Der eigentliche Plan war, Daisy zu verunsichern, damit sie den Test nicht bestand. Stattdessen war er inzwischen dabei, ihr zu helfen. Vielleicht wegen Brant, sagte er sich. Natürlich hatte Jericho das Gefühl, ihr etwas schuldig zu sein. Aber vielleicht half er ihr auch einfach nur, weil er sie begehrte.
Leugnen war völlig zwecklos. Alles, was er bislang für sie empfunden hatte, war an diesem Morgen nur noch stärker geworden. In der letzten Nacht hatten er und Daisy auf gegenüberliegenden Seiten vom Lagerfeuer geschlafen.
Doch die Nächte waren in dieser Höhenlage sehr kalt. Als Jericho in der Frühe aufgewacht war, hatte neben ihm eine kurvige, wunderschöne und warme Frau gelegen, die sich an ihn gekuschelt hatte. Das hatte ihm seine Träume erklärt, in denen er zügellosen Sex erlebt hatte. Am Morgen hatte sein ganzer Körper vor unerfüllter Lust geschmerzt, das Blut war ihm in rasender Geschwindigkeit durch die Adern gerauscht.
„Jericho?“
Er verdrängte die Erinnerung und konzentrierte sich wieder. „Nicht reden. Konzentrieren Sie sich!“
„Okay“, entgegnete sie und starrte angestrengt auf das Ende der Brücke. „Wenn ich nicht mit Ihnen reden darf, können Sie mir ja etwas erzählen.“
Er schüttelte den Kopf. „Sie sind wirklich unmöglich.“
„Das meine ich nicht mit reden!“
„Also gut“, erwiderte er und zog kräftig an der Leine, um den Hund zurückzuhalten. „Dann rede eben ich. Mal sehen … Ende nächster Woche reist eine neue Gruppe an.“
„Was sind das für Leute?“, fragte sie und rutschte prompt zur Seite. „Ups!“
„Konzentration!“
„Ja, alles gut. Reden Sie weiter!“
„Es sind Mitarbeiter einer Rechtsanwaltskanzlei aus Indiana.“ Wenig erfreut dachte er an die letzte Juristengruppe, die er betreut hatte. Rechtsanwälte waren furchtbar steife Menschen. Sogar in der Natur tauten sie nicht richtig auf. Ohne ihre Laptops und Handys führten sie sich wie verwöhnte Kinder auf, die ihr Spielzeug verloren hatten.
„Bin nicht gerade begeistert“, sagte er. „Anwälte beklagen sich viel zu oft.“
„Das stimmt allerdings. Ich bin fast drüben.“
Jetzt, da das andere Ende direkt vor ihr lag, beschleunigte sie das Tempo. „Langsam, achten Sie auf Ihre Schritte!“
„Keine Panik, mache ich ja!“ Langsam bewegte sie sich weiter vorwärts. „Wenn Sie keine Rechtsanwälte mögen, warum lassen Sie sie dann hierher?“
„Weil sie zahlende Gäste sind.“
„Aha. Haben Sie jemals darüber nachgedacht, das Camp für Kinder zu öffnen?“
„Kinder?“
Das laute Lachen, in das sie jetzt ausbrach, klang angenehm durch die Luft. Mit zusammengekniffenen Augen beobachtete er sie misstrauisch, während sie Mühe hatte, sich wieder zusammenzureißen. „Sie klingen ja richtig entsetzt!“
„Hören Sie auf, und konzentrieren Sie sich auf Ihre Aufgabe.“
„Oh, entspannen Sie sich! Alles
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