Mit der Zeit
dem oder mit denen, die nachher sie selbst attackierten und töteten. Mr. Halliday konnte von solchen Dingen unmöglich wissen.«
»Sie hat natürlich recht«, sagte Jean-Pierre, »auch wenn ich mir jetzt nicht die Zeit nehmen kann, Ihnen zu sagen, warum. Je länger ich hier bleibe, desto schwächer wird meine Geschichte. Leben Sie wohl, Mr. Halliday.« Er gab mir die Hand. »Viel Glück und bon voyage. «
Den anderen sagte er nicht Lebewohl; er lächelte und nickte ihnen nur zu, während er in den Kombi stieg und losfuhr. Er würde vom Patron hören, keine Frage, aber erst, wenn Gras über die Sache gewachsen war. Bis dahin hatte er seine Arbeit in dem Pariser Büro und vielleicht das Problem, einen Ersatz für Guido zu finden.
Wir warteten danach noch fünf Minuten und fuhren dann ebenfalls los.
Wo Guido von der Straße heruntergefahren war, hatte die Polizei Schranken mit Blinklichtern aufgestellt, und die Autos wurden im Einbahnverkehr daran vorbeigeleitet. Wir hatten beim langsamen Vorbeifahren Zeit zu beobachten, wie Jean-Pierre lebhaft mit den Verkehrspolizisten diskutierte. Die Besatzung der Ambulanz war eben dabei, eine Tragbahre mit Guido vom Straßenrand zu ihrer Ambulanz zu tragen. Ein junger Mann in einem weißen Mantel, vermutlich ein Assistenzarzt, ging ständig mit einem hochgehaltenen Plasmatropf nebenher.
»Sehen Sie, Patron?« bemerkte Simone. »Guido ist nicht für uns verloren. Jean-Pierre wird dafür sorgen, daß er bestens verpflegt wird.«
»Ja, ich sehe es. Manche Verletzungen, vor allem im Rücken, können gefährlicher aussehen, als sie wirklich sind. Wir dürfen hoffen.«
Er saß auf dem Beifahrersitz neben ihr. Als wir auf unserer Fahrt nach Norden Villach erreichten, war er eingeschlafen.
Wir fuhren, ohne anzuhalten, zum Salzburger Flughafen und lieferten den Mietwagen ab. Von dort nahmen wir ein Taxi zur deutschen Grenze und gingen mit unserem Gepäck zu Fuß durch die Paßkontrolle und den Zoll. Niemand zeigte sich irgendwie an uns interessiert. Auf der deutschen Seite gab es ein Lokal, das auch nachts geöffnet war und in dem man einen Imbiß bekommen konnte. Nachdem ich telefoniert hatte, saßen wir dort bei einem Bier und Sandwiches.
Der ausgiebige Schlaf im Auto hatte Zander wiederhergestellt. Er aß und trank mit Hingabe. Daß ich am Essen nicht interessiert war, blieb nicht verborgen.
»Sie sehen müde aus, Mr. Halliday.«
»So fühl ich mich auch.«
»Sie haben sich tapfer geschlagen. Sie werden gut schlafen.«
»Sicher.«
Sein Blick ging zu einer Gruppe von Lastwagenfahrern, die an einem Tisch in der Nähe Kaffee tranken, aber sie beachteten uns nicht, nicht mal Simone. Er fuhr fort.
»Dieser General, den ich gestern kennenlernte, General Newell. Hat er Sie interessiert?«
»Sehr sogar. Er schien ausgesprochen fähig.«
»Er sagte etwas Merkwürdiges zu mir.«
»Ach ja?«
»Er sagte, ich hätte ein ungewöhnliches Lächeln.«
»Patron«, sagte Simone, »ich glaube, unsere Wagen kommen an.«
Er machte eine ganz leichte Handbewegung. Die Wagen konnten warten. »Der General sagte, ich hätte ein Lächeln, das ihm bisher nur einmal begegnet sei. Es sei das Lächeln eines Offiziers, den er gekannt habe und der Chefausbilder in einer Schule für den Kampf ohne Waffen gewesen sei. Merkwürdig, eh? Er sagte, wenn Soldaten zu Ausbildungskursen an die Schule kamen, verleitete sie das angenehme Lächeln des Chefausbilders zu dem Glauben, sie hätten angenehme Tage vor sich. Doch das war dann nie der Fall.«
»Ach nein?«
»Nein. Sie mußten feststellen, daß das Lächeln eine Irreführung war. Merkwürdig, nicht wahr, daß er mir so etwas erzählt? Ich habe mich nie als einen Mann gesehen, der oft lächelt, ja, der überhaupt lächelt. Soviel sollten Sie inzwischen über mich wissen, Mr. Halliday. Ich lächle fast nie. Aber trotzdem, ich mochte General Newell. Mit ihm als Vorgesetztem hätte man einen guten Mann.« Er stand auf. »Ja, Simone, du hast recht. Da sind Wagen und Leute, die nach uns suchen. Leben Sie wohl, Mr. Halliday. Unsere Zusammenarbeit hat mir Spaß gemacht.« Er hob die Hände, frisch geschrubbt und bereit zum Eingriff, und einen Moment lang glaubte ich, er wolle mir zum Abschied die Hand geben.
Dann wandte er sich ab. Simone und die jungen Leute winkten mir zum Abschied kurz zu und waren mit ihm verschwunden. Auch der Mann, der sie begleitete, nickte mir kurz zu. Es war der Schweigsame, der mich sechsunddreißig Stunden vorher vom Gasthaus nach
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