Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mit der Zeit

Mit der Zeit

Titel: Mit der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler
Vom Netzwerk:
Gegner unterschätzt und ein gutes Leben sinnlos geopfert hatte –, und er fragte sich wohl auch, wie sehr unser Vertrauen in ihn erschüttert worden war. Die jungen Leute schnatterten aufgeregt, während sie die drei anderen Gewehre auspackten, und er schnauzte sie so an, daß sie augenblicklich ruhig waren. Ihr Vertrauen hatte er jedenfalls noch nicht verloren. Sie hatten Guido sicherlich nicht mehr Wert oder Bedeutung beigemessen als dem Pacioli-Chauffeur, den sie im Namen ihres Patrons getreten und verprügelt hatten.
    »Ich sehe jetzt den Bildstock«, sagte Simone. »Dort gerade vor uns, mit dem Giebeldach. Soll ich da immer noch abbiegen?«
    »Aber sicher.« Es schien ihn zu überraschen, daß sie fragte.
    »Sie werden uns bald einholen. Sie werden uns abbiegen sehen.«
    »Das darf nicht sein. Drück aufs Gas. Wir können sie immer noch abschütteln.«
    »Die sind nun mal schneller als wir, auf den Geraden und in den Kurven. Die müssen uns einfach sehen. Und es gibt an diesem Hang hier keine wirkungsvolle Deckung, bis wir die Bäume erreichen.«
    »Dann sieh zu, daß wir die Bäume erreichen. Wenn wir uns nicht verstecken können, können wir wenigstens ein Stück den Berg hoch, bevor sie kommen.«
    Der Weg, in den wir einbogen, hatte einmal einem Bergbauernhof als Zufahrt gedient, aber das war vor langer Zeit gewesen. Die alten Furchen unter dem Unkraut stammten von Fuhrwerken, nicht von Traktoren, und das bißchen Ackerboden, das sich hier und da an den steinigen Hängen unterhalb der Baumgrenze noch hatte halten können, war längst unter Gras und Gestrüpp verschwunden. Nach zwei- oder dreihundert Metern kamen wir an eine gemauerte Scheune, der das Dach fehlte. Nicht weit davon entfernt waren von dem früheren Holzhaus nur noch der Backsteinherd und der Kamin erhalten geblieben. Eine Tafel vom Fremdenverkehrsamt, die ihr eigenes kleines Schindeldach hatte und neben der ein Abfalleimer stand, gab den Touristen eine ganze Reihe von Hinweisen und Tips und Verhaltensmaßregeln. Wohnwagen durften nicht abgestellt werden, und Camping war nur an besonders ausgewiesenen Plätzen erlaubt. Offene Feuer waren verboten, und jagen durfte man nur mit einer Genehmigung des Landesfremdenverkehrsamtes. Ein ausgestreckter Sperrholzfinger zeigte uns die Richtung zu einem Wanderpfad durch den Wald nach oben, einem Pfad, der schließlich zu einem Höhenweg (1063 m) durch die Karawanken führte. Auf dem Pfad und auf dem Höhenweg waren Fahrräder und Motorräder nicht zugelassen. Von Kombiwagen war nicht die Rede.
    Dieser Wanderweg verlief quer durch die Bäume und führte steil bergan. Schwankend ging es nach oben, vorbei an einem weiteren Sperrholzfinger durch junge Bäume am Waldrand. Von da an waren die Bäume größer und standen enger zusammen. Der Weg wurde schmäler und verlief schließlich als schmales Band genau auf der Höhenlinie.
    Simone, die mit dem Lenkrad zu kämpfen hatte, würgte einmal fast den Motor ab, weil sie vergessen hatte, in den ersten Gang herunterzuschalten, aber sie schaffte es noch einmal. Die Sache mit Guido hatte sie sichtlich erschüttert, aber eben nur erschüttert. Wäre ich gefahren, dann wäre alles aus gewesen. Ich war mittlerweile halb verrückt vor Angst, und der Mann, den wir ›Patron‹ nannten, war in meinen Augen zu einem gefühllosen, selbstgefälligen Stümper geworden. Die Sturmgewehre, die die jungen Leute hinter mir in Hochstimmung versetzten, waren bestimmt nicht zu gebrauchen, weil die Munition nicht paßte oder weil die Schlagbolzen fehlten. Ich wußte es einfach. Ein zweites Rasmuk-Team war vor uns hergefahren und wartete in diesem Augenblick dort oben auf uns, wo unser weiser Patron uns unbedingt haben wollte; aus einem sorgfältig ausgesuchten Hinterhalt heraus, würden sie uns alle einzeln abschlachten.
    Der Wagen schaukelte wie wild, streifte noch seitlich einen Baum und blieb stehen. Ich blickte den Weg zurück und sah, wie der Bourger-Citroën von der Straße abbog, um hinter uns herzufahren. Simone hatte recht gehabt, unser Patron war zu Unrecht optimistisch gewesen.
    »Alle herhören«, sagte er. »Wir verlassen jetzt das Fahrzeug und gehen schnellstens ins Gelände.« An Simone gewandt, fuhr er fort: »Aufpassen und das Feuer erst eröffnen, wenn ich das Zeichen gebe. Es sollte für den Hirten eine totale Überraschung und ein Schock sein, wenn sich die Schafe plötzlich gegen ihn stellen und anfangen, ihn zu beißen.« Zu mir sagte er: »Wir wollen bitte alle den

Weitere Kostenlose Bücher