Mit einem Bein im Modelbusiness
drauflos. Auch die Dame vom Stern winkte mir irgendwann von der Seite zu, so, als ob wir uns schon seit einer Ewigkeit kennen würden. Peters Worte kamen mir wieder ins Gedächtnis. Er sollte wohl Recht behalten. Wie immer!
Ich befand mich mitten im Gespräch mit einer Frau, die einen Dokumentarfilm über das Modelbusiness drehte, als ich aus den Augenwinkeln Michael Michalsky entdeckte. Urplötzlich verspürte ich den tiefen Wunsch, mich bei ihm zu bedanken. Ich vergaß die Journalistin und ihren Kameramann und ließ sie einfach stehen.
» Michael«, rief ich in seine Richtung und ging freudetrunken auf ihn zu. » Hab ich dir schon danke gesagt?«
» Nein, das musst du auch nicht«, antwortete er und nahm mich in den Arm. » Ich danke dir!«
Die Regisseurin, mit der ich gerade noch gesprochen hatte, ergriff ihre Chance und ging hinter mir her.
» Warum hast du ausgerechnet Mario für deine Show ausgesucht?«, fragte sie Michalsky.
» Weil er toll aussieht, hübsch ist, einen tollen Körper hat und meine Mode mit Leben füllt«, antwortete er, während wir immer noch die Arme umeinander gelegt hatten.
» Und welche Rolle spielt sein Bein dabei?«
» Eigentlich keine, sonst hätte ich ihn ja nicht gebucht. Er ist ja trotzdem schön und trotzdem hübsch.«
Ich wusste nicht so wirklich, was ich mit mir anfangen sollte. Die Kamera lief, Michael schwärmte in den höchsten Tönen von mir, und ich musste mich sehr konzentrieren, nicht rot zu werden.
» Wie schätzt du Marios Zukunft ein?«, fragte sie weiter.
» Er ist ein ganz toller Typ, sehr nett, sehr positiv. Er bringt einen Raum zum Leuchten. Mein Motto lautet, Real Clothes For Real People, und dabei spielt es keine Rolle, ob ein Model ein Bein oder zwei hat. Warum sollte ihm nicht die Zukunft gehören?«
» Du warst der erste Designer, der Mario in kurzen Hosen über den Catwalk hat laufen lassen. War dir das bewusst?«
Wow, die Dame ist aber gut informiert, dachte ich.
» Nee, aber das ist mir auch egal«, antwortete Michalsky mit einem schelmischen Grinsen. » Ich mache einfach das, was ich für richtig halte. Wenn ich immer darauf gehört hätte, was andere Leute mir sagen, würde ich heute noch an der Haltestelle in Bad Oldesloe sitzen und auf den Bus warten.«
Konsequenzen
Wahre Worte, die ich Michalsky im Nachhinein doppelt und dreifach so hoch anrechnete, denn was mir eine seiner Assistentinnen wenig später an der Bar zuflüsterte, ließ mich fassungslos zurück. Sie hatte schon ein bisschen zu viel Champagner getrunken und begann, aus dem Nähkästchen zu plaudern. Am Abend vor der Show kam es anscheinend zu einer heißen Diskussion zwischen Michalsky und der Redakteurin eines sehr einflussreichen Modemagazins. Als sie davon erfuhr, dass er mich in kurzen Hosen auf den Laufsteg schicken wollte, soll sie wohl zu ihm gesagt haben, dass sie nichts über seinen Abend berichten würden, falls er das tatsächlich durchzöge.
Ich war sprachlos. Zuerst glaubte ich noch, dass diese Assistentin nur zu tief ins Glas geschaut hatte und ihrer Fantasie freien Lauf ließ, aber als ich drei Wochen später die neue Ausgabe dieses Magazins in den Händen hielt, blieb mir definitiv die Spucke weg. Ich fand darin etliche Berichte und Fotos über die Fashion Week, nur der Name Michael Michalsky wurde konsequent ignoriert. Als ob seine Stylenite nie stattgefunden hätte.
Und das nur, weil eines seiner Models behindert war und er es gewagt hatte, mit einem ungeschriebenen Tabu der Branche zu brechen. Kurt Cobain hat einmal gesagt: » Ihr lacht über mich, weil ich anders bin? Ich lache über euch, weil ihr alle gleich seid.«
So dachte wohl auch Michalsky, denn obwohl ihm die Konsequenzen seiner Aktion bewusst waren, änderte er seine Meinung nicht. Er soll zu der Redakteurin gesagt haben, dass Mario eine Bauchentscheidung gewesen sei, und Bauchentscheidungen könnten niemals falsch sein, da sie nicht vom Verstand, sondern vom Herzen getroffen würden. Er zeigte Courage, eine Tugend, die in diesem Business fast schon ausgestorben ist.
Danke, Michael.
Am nächsten Morgen. Ich saß noch in Unterhose in Hakans Küche, trank meinen ersten Kaffee, als Peter aus Paris anrief.
» Hey Chef!«, begrüßte ich ihn gut gelaunt.
» Na, wie geht es meinem Star?«
» Ach, business as usual, mein Lieber. Ich muss erst mal richtig frühstücken, um wieder zu Kräften zu kommen. Du weißt ja, vorher geht bei mir überhaupt nichts.«
Ich registrierte noch gar nicht, was
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