Mit einem Bein im Modelbusiness
geschehen war. Auch Peters Bemerkung von wegen Star rutschte einfach so durch. In meinem Kopf war es ein gewöhnlicher Samstagmorgen: Ich hänge mit meinem Homie ab und verfluche die letzten drei Biere des Vorabends. Alles wie immer also.
» Ey, heute Abend ist das Spiel um Platz drei«, fuhr ich fort. » Deutschland spielt gegen Uruguay. Kann ich leider nicht gucken, da ich für Starstyling laufe. Ist aber okay. Bin fürs Finale morgen wieder in Hamburg. Wer glaubst du, wird Weltmeister? Spanien oder Holland? Ich tippe ja auf Spanien.«
» Mario?«
» Ja?«
» Glaubst du, ich rufe dich extra aus Paris an, um mit dir über Fußball zu reden?«
» Hm«, murmelte ich und schlürfte einen Schluck Kaffee.
» Kennst du Jean Paul?«, fragte Peter.
» Wer kennt den nicht?«, lachte ich und fing an, in meinem lustigsten jamaikanischen Akzent zu singen: » Just gimme the light and pass the drohoho! Buss another bokkle a moe! Gal dem inna mi sight and I got to knohow, which one is gonna catch my flow.«
» What? Mario, was redest du da?«
» Na, du hast doch gefragt, ob ich Sean Paul kenne?«
» Ach, du bist schon der Knüller«, lachte er. » Ich meine Jean Paul, den berühmten deutschen Schriftsteller aus dem 18. Jahrhundert, nicht Sean Paul, den Sänger.«
» Ach so. Hehe. Ist ja fast dasselbe. Was ist mit ihm?«
» Jean Paul schrieb in einem seiner Bücher: Gehe nicht, wohin der Weg führen mag, sondern dorthin, wo kein Weg ist, und hinterlasse eine Spur. Du hast gestern so eine Spur hinterlassen, Mario, auch wenn es dir wahrscheinlich gar nicht bewusst war.«
» Was denn für eine Spur?«
» Deine Spur!«
» Das muss aber eine ziemlich humpelige Spur sein«.
» Mag sein, aber dafür weiß jeder, zu wem sie gehört.«
Ich verstand kein Wort. Wie so oft, wenn Peter seinen Philosophen rausholte.
» Google dich mal! Dann wirst du sehen, was ich meine.«
» Alles klar, Maestro. Das mache ich. Und danke für deinen Anruf, ja?«
» Und, Mario?«
» Ja?«
» Du bist ein wahrer Krieger. Ich bin sehr stolz auf dich.«
» Danke dir!«
In den Schlagzeilen
Ich schnappte mir Hakans Laptop, tippte meinen Namen ein und konnte es kaum fassen. Das ganze Internet war voller Berichte über mich, und zwar nicht nur in den Modeblogs, sondern überall. Schnell streifte ich mir ein T-Shirt über, schlüpfte barfuß in meine Superstars, jumpte die Treppen runter an den Kiosk und besorgte mir die Bild und den Tagesspiegel. An die anderen Zeitungen, denen ich gestern Interviews gegeben hatte, konnte ich mich in der Aufregung nicht mehr erinnern. Beide hatten große Interviews mit mir gedruckt, inklusive Foto! Ich wählte die Nummer meiner Mutter.
» Mutti, besorg dir ausnahmsweise mal die Bild und schlag die letzte Seite auf.«
» Ich habe schon längst zehn Exemplare gekauft. Du glaubst nicht, wer heute Morgen hier schon alles angerufen hat wegen dir.«
» Ey, Mutti. So krass! Ich muss wieder los. Erzähl ich dir alles mal in Ruhe. Und grüß alle schön, ja?«
Als ich am nächsten Tag wieder in Hamburg war, musste ich das Wochenende erst einmal sacken lassen. Ich öffnete meinen Facebook -Account: 200 neue Freundesanfragen! Am Montag meldete sich Basti aus der Agentur, der schon fast am Verzweifeln war: » Mario, ich freue mich ja, dass die Michalsky -Show so erfolgreich gelaufen ist für dich, aber mein Telefon steht nicht mehr still. Alle wollen Interviews mit dir. Ich kann gar nicht mehr normal arbeiten.«
In den kommenden Tagen erschienen noch Artikel in der Süddeutschen Zeitung, in der Welt, im Stern und weiß der Geier, wo noch überall. Mein Leben kam mir plötzlich so eigenartig surreal vor. Ich meine, ich wurde in die NDR Talkshow eingeladen, was für mich persönlich kaum an Skurrilität zu überbieten war: Ich kehrte an meinen ehemaligen Arbeitsplatz zurück und konnte mit meiner alten Mitarbeiterkarte sogar noch die Türen des Haupteingangs öffnen.
Zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte ich mich wirklich glücklich. Daran konnte auch ein seltsamer Bericht auf RTL nichts ändern.
Ich erzählte der Reporterin auf der Aftershowparty, dass es keineswegs der Fall sei, dass ich nur aufgrund meines Handicaps gebucht werden würde, sondern hauptsächlich wegen meines Looks. So sei das in den letzten drei Jahren gewesen, und so würde es mit Sicherheit auch bleiben. Irgendwie schafften sie es aber, den Bericht so zu schneiden, dass der Tenor lautete: Mario Galla, das » Schockmodel«, wird nur wegen seiner
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