Mit einer Prise Glück und Liebe
heruntergekommenen Kneipen essen, miese Radiosender hören und alles, was sonst noch dazugehört.«
»Süßigkeiten«, wirft Jonah ein. »Wir müssen Süßigkeiten kaufen. Saure Kirschen und Zuckerstangen.«
»Au ja«, ruft Katie. »Und diese bunten Schokokugeln.«
»Genau! M&M’s«, sagt Jonah und hebt die Hand.
»Klingt klasse.« Sie schlägt mit ihm ab.
»Also seid ihr dabei?«
»Absolut«, antwortet Jonah.
»Absolut«, echot Katie.
»Dann lasst uns aufbrechen.«
NEUNUNDFÜNFZIG
Sofias Tagebuch
Später:
Ich habe diese Hitze und diese endlosen Rückenschmerzen so satt, dass ich schreien könnte. Ich will nach Hause und etwas essen, was ich selbst gekocht habe, will an meinem Tisch und auf einem Stuhl sitzen, statt mit zwanzig anderen Leuten auf einer langen Bank. Ich will endlich dieses Baby zur Welt bringen. Wenn ich durch die Korridore gehe, fühle ich mich wie ein riesiger Tanker auf dem Ozean. Ich bin nur eines: schwanger. Ein Ofen mit einem riesigen, bis zum Platzen aufgegangenen Brötchen darin. Ich fühle mich, als würde ich durch eine zähe, transparente Masse schwimmen, in der sämtliche Geräusche um mich herum gedämpft sind. Ich höre, wie die Leute mit mir reden, aber nichts davon dringt bis zu meinem Gehirn vor. Nicht, dass sie es merken würden. Ich spiele ihnen allen etwas vor. Meine Großmutter ist wirklich wunderbar. Sie kümmert sich um alles, was ich selbst nicht mehr schaffe, schreit die Pfleger an, sich gefälligst als Erstes um Oscar zu kümmern, und bringt mir Zeitschriften, Sandwiches und Obst. Sie ist der reinste General.
Katie ist in Sicherheit, das ist das Allerwichtigste. Meine Mutter hat sie gefunden, so wie ich es vermutet habe. Auf sie ist einfach Verlass. Ich wünschte immer noch, sie wäre hier – Mami, Mami, komm her und hilf mir –, als wäre sie meine Dienstmagd oder so etwas, dabei lebt sie ihr Leben, das gerade die eine oder andere Wendung nimmt. Ich würde gern mehr darüber erfahren, aber vielleicht lieber an einem Tag, an dem ich mir wieder alles besser merken kann.
Ich glaube, ich werde bis zum Ende aller Zeit schwanger sein.
SECHZIG
Ramona
W ir setzen uns in den Wagen – Katie mit einem dicken Taschenbuch, das sie im Drugstore gekauft hat, Merlin mit einem schönen neuen Brustgeschirr, das es einfacher macht, ihn aussteigen und sein Geschäft machen zu lassen, und Jonah mit einer Tüte voll Süßigkeiten. Der einzige Wermutstropfen ist mein Handy, das tot ist, da ich das Ladegerät zu Hause vergessen habe. Ich habe zwar im ersten Kaff auf der Strecke versucht, eines zu bekommen, aber vergeblich. Es ist höchst irritierend, nicht erreichbar zu sein. Jonah hat zwar ein Handy dabei, das wir im Notfall benutzen können, aber natürlich habe ich keinen Zugriff auf meine eigenen Nummern.
So etwas kann wohl nur jemandem mittleren Alters passieren. Jeder aus der jüngeren Generation ist so an den Gebrauch von Handys gewöhnt, dass er überall Ersatzladegeräte deponiert hat – in der Handtasche, im Wagen und sonst wo.
Na schön, dann werden wir Sofia eben überraschen. Ich stelle mir gerade ihr Gesicht vor, wenn sie uns sieht.
Mit der Musik wechseln wir uns ab: die Top Ten für Katie, Klassisches für mich und Jazz für Jonah. Wann immer wir keinen Empfang für die Radiosender bekommen, hören wir die CDs aus Jonahs Köfferchen.
Wir singen. Wir unterhalten uns und tauschen immer wieder die Sitzplätze: Mal sitzen Jonah und ich vorn, mal Katie und ich, mal Katie und Jonah. Derjenige, der hinten sitzt, schläft oder liest. Die Landschaft ist nicht gerade inspirierend – endlose Ebenen, über die der Wind hinwegpfeift, wie man es von West Texas erwarten würde, trotzdem erfüllt mich die schiere Tatsache, unterwegs zu sein, mit unbändiger Freude.
Um acht Uhr abends erreichen wir San Antonio. Ich weiß nicht genau, wo das Militärkrankenhaus ist, aber Jonah ruft die Wegbeschreibung über sein Handy ab. Wir sind uns einig, dass es zwar spät ist, aber nicht zu spät, um unser Glück nicht doch noch zu versuchen.
Als wir das Krankenhaus betreten, bin ich nervös. Ich nehme Jonahs Hand, während Katie meine andere nimmt, was ziemlich untypisch für sie ist. Ein freiwilliger Pfleger am Empfangsschalter sagt uns, dass es eigentlich zu spät sei und uns lediglich eine Viertelstunde bliebe. Das genügt.
Schweigend fahren wir mit dem Aufzug nach oben. Die Station bereitet sich gerade auf die Nacht vor – Schwestern reden leise auf den Korridoren, Besucher
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