0194 - Wenn alle Teufel tanzen
Jetzt war die Hölle los. In Nalls Warenhaus war ein so reger Betrieb, daß diese gellende Stimme genügend Aufsehen erregte. Zu allem Unglück schob sich dicht neben Gay Robins gerade eine Gruppe von College-Schülern durch den Gang. Diese fixen, sportlich trainierten Jungens folgten mit ihren Blicken dem ausgestreckten Arm der Frau und legten Gay zwei Sekunden später auch schon die Hand auf die Schulter.
Gay Robins zerrte an den vielen Händen, die ihn festhielten. Er versicherte empört, daß er kein Dieb sei. Die Dame müsse unter Halluzinationen leiden.
»Oh, bitte!« schnaufte die Frau und bahnte sich ihren Weg durch die größer werdende Menge auf Robins zu. »Ich und Halluzinationen? Werden Sie nur nicht unverschämt. Sie sollten sich überhaupt etwas schämen, junger Mann! Sie sehen gesund aus, warum arbeiten Sie nicht wie alle ehrbaren Leute?«
»Aber Sie müssen sich wirklich irren«, stotterte Gay schwach, hatte jedoch selbst schon keine Hoffnung mehr, daß er hier noch gut davonkommen könnte.
»Ich irre mich nie!« trompetete die Frau überheblich. »Hier, so hat er es gemacht!«
Zweimal demonstrierte sie mit einer schnellen Armbewegung, wie Gay es ihrer Meinung nach angefangen hatte. Robins beobachtete die Frau nur aus den Augenwinkeln, aber auf einmal riß er seine braunen Augen auf, als hätte er das Unmögliche in Person gesehen. Es war ja sein Fach. Taschendiebereien waren seine Spezialität. Und so kam es auch, daß er als einziger sah, wie zwei goldene Ringe in der Hand der herumfuchtelnden Frau verschwanden. Gay traute seinen Augen nicht.
Inzwischen war der Abteilungsleiter herangekommen und erkundigte sich bei der noch recht jungen Verkäuferin, was es denn hier gebe. Das junge Mädchen kam nicht zu Wort.
»Also das war so!« sagte die Frau. »Ich wollte mir mal eine Uhr ansehen und sagte das dem netten Kind da!« Sie zeigte auf die Verkäuferin, die vor Verlegenheit rot wurde. »Gerade nehme ich so eine Uhr in die Hand, da fällt mein Blick so ganz zufällig auf den Tisch hinweg herüber auf diese Seite. Und was sehe ich da? Ich sehe, wie dieser Mann blitzschnell über die Platte hinweggreift, die hier vorn über den Waren gehalten wird, und wie er zwei Feuerzeuge oder was Ähnliches in seinen Ärmel verschwinden läßt. Das habe ich mit meinen eigenen Augen gesehen.«
Der Abteilungsleiter sah die Verkäuferin an. Das Mädchen verstand und beugte sich vor.
»Ja«, erwiderte sie tonlos auf die stumme Frage ihres Vorgesetzten. »Tatsächlich! Zwei goldene Feuerzeuge fehlen. Die Gasmodelle, die wir erst vorgestern bekamen, Sir! Hier müßten sie liegen!« Sie zeigte auf den weißen Samt der beiden ausgeräuberten Etuis.
»Aha«, sagte der Abteilungsleiter und rieb sich seine vor Aufregung blaß gewordene Nasenspitze.
In diesem Augenblick erschien der Hausdetektiv auf der Bildfläche. Er hatte die letzten paar Sätze gehört und war somit ausreichend unterrichtet.
»Gestatten Sie, Sir«, sagte er zum Abteilungsleiter und wandte sich nach dessem erleichterten Nicken Gay Robins zu. »Kommen Sie bitte mit ins Büro, Mister! Ich muß leider darauf bestehen, Sie zu durchsuchen.«
Gay zuckte die Achseln. Wie die meisten Berufsganoven wußte er genau, wann das Spiel für ihn verloren war, und genau wie seine Kollegen gab er sich dann geschlagen. »Okay«, sagte er. »Das Durchsuchen können Sie sich sparen. Hier sind die beiden Feuerzeuge. Wirklich hübsche Dinger.«
Er schlenkerte seinen rechten Arm einmal hin und her und hielt plötzlich die beiden vermißten Objekte in der Hand. Ein lautes »Aaah!« ging durch die Menge. Gay strahlte zufrieden, als hätte er soeben ein gutes Werk verrichtet.
»Tut mir leid, Sir«, erwiderte der Detektiv. »Ich muß die Polizei verständigen.«
»Sicher«, nickte Gay. »Rufen Sie das 38. Revier an! Die sind dafür zuständig. Aber bevor Sie das tun, Sir, möchte ich Sie noch auf einen anderen Dieb aufmerksam machen!«
Gay zeigte mit ausgestrecktem Zeigefinger auf die Frau und erklärte gelassen: »Diese alte Schachtel hat auch geklaut! Zwei goldene Ringe! Durchsuchen Sie sie mal, dann werden Sie’s ja sehen!«
Einen Augenblick herrschte verdutztes Schweigen. Die Angeschuldigte faßte sich als erste und brach in ein meckerndes Gelächter aus. »Hat man so was schon erlebt!« kicherte sie. »Jetzt will er sich rächen und mir was in die Schuhe schieben! Nein, so was!«
Jetzt lachten auch die anderen. Vergebens versuchte Gay, die Leute zu überreden.
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