Mit freundlichen Küssen: Roman (German Edition)
aussah. Todmüde und total unglücklich. Geschieht ihm ganz recht, dass sie ihn zum Manager gemacht haben. Das ist fast schon Strafe genug, finde ich.«
»Du bist wirklich komisch«, meint Lutz. »Der Typ hat sich deinen Job unter den Nagel gerissen, verdient einen Haufen Kohle, und du willst ihm das einfach durchgehen lassen und ihn nur auf dem Dienstweg abservieren?« Ich schüttele vehement den Kopf und grinse diabolisch:
»Du hast mir wohl nicht richtig zugehört. Ich habe gesagt: Fast.«
Ich kann es kaum erwarten, bis die Woche vorbei ist. Zum Glück habe ich aber wie immer viel zu tun. Endlich ist der Samstagabend gekommen. Um Punkt acht Uhr beziehe ich in meinem Golf Posten vor dem Paolino, einem der nobelsten Restaurants an der Hamburger Außenalster. Ich habe Glück, denn von diesem Platz aus habe ich den Eingang gut im Blick. Mein Herz pumpert aufgeregt, das Adrenalin rauscht mir in den Adern, und das Teufelchen auf meiner rechten Schulter lacht sein schönstes Rache-Gelächter. Ich halte den Atem an, als jetzt eine schwarze Limousine vorfährt, der eine schlanke dunkelhaarige Frau im Abendkleid entsteigt. Anna Sandkamm. Sie schreitet über den Teppich in das Restaurant hinein, in dem ich für heute Abend einen Tisch auf den Namen Walsenfels bestellt habe. Für drei. Ich reibe mir die Hände. Wenn Benjamin hier auftaucht, werden seine Frau und seine Geliebte schon ein interessantes Gespräch miteinander geführt haben. Ich hoffe, sie schießen ihn beide ab! In diesem Moment hält eine weitere Limousine vor dem Paolino und Benjamins Frau steigt aus. Ich beobachte ihre schmale Gestalt, die sich dem Eingang nähert. Wie zerbrechlich sie aussieht. Wie ein kleines Mädchen. Plötzlich ist mir nicht mehr ganz so wohl in meiner Haut. Vermutlich wird gleich ihre Welt zusammenbrechen, wenn sie mit der Geliebten ihres Mannes konfrontiert wird. Ich werfe noch einen Blick auf die zierliche Frau, dann springe ich aus dem Auto und spurte über die Straße. Nein, ich will sie nicht aufhalten. Ich erreiche sie gerade noch rechtzeitig, bevor sich die gläserne Eingangstür wieder hinter ihr schließt.
»Hallo Lydia«, sage ich, und es dauert ein paar Sekunden, bis in ihrem schmalen Gesicht das Erkennen aufblitzt.
»Sie sind doch aus der Firma meines Mannes?«
»Vivi Sonntag«, nicke ich und nehme ihre Hand. Halte sie fest. Sie sieht mich an und lächelt ein wenig verlegen.
»Kann ich was für Sie tun?« Ich sehe ihr fest in die Augen:
»Wenn Ihr Mann eine Affäre hätte, würden Sie es dann wissen wollen?« Eine Sekunde lang passiert gar nichts, dann wird sie plötzlich weiß wie ein Leichentuch und entzieht mir ihre Hand mit einem Ruck.
»Sie?«, fragt sie kaum hörbar. »Sie schlafen mit meinem Mann?«
»Nein, nicht ich«, sage ich schnell.
»Aber er hat eine Affäre?«
»Ja. Es tut mir Leid.« Das tut es wirklich. Am liebsten würde ich die kleine Frau, die mir gerade mal bis zur Nasenspitze reicht, in die Arme nehmen. Aber sie steht sehr aufrecht vor mir, die dunklen Augen wirken fast schwarz in ihrer Ernsthaftigkeit. »Die Geliebte Ihres Mannes sitzt dort drin.« Ich nicke in Richtung des Restaurants, und sie hebt erstaunt die Brauen.
»Nun, dann werde ich sie mir wohl ansehen«, meint sie mit fester Stimme, strafft die Schultern und tritt auf den Eingang zu.
»War es richtig, Ihnen davon zu erzählen?«, frage ich sie noch einmal. Sie schaut nachdenklich zurück. Dann nickt sie langsam.
»Ich habe keine Ahnung, was Sie davon haben, aber seien Sie sicher, dass ich Ihnen dankbar bin.« Ich atme erleichtert aus. Eine Sekunde lang stehen wir noch da und sehen einander an, dann wendet sie sich mit einem Kopfnicken zum Gehen.
»Viel Glück«, flüstere ich leise, ohne zu wissen, ob sie mich hören kann.
Am liebsten würde ich mir jetzt am Fenster die Nase plattdrücken, um die Begegnung der beiden Frauen wenigstens von hier draußen mitbekommen zu können, aber leider werde ich von dem schnöseligen Empfangschef in seiner Livree mit goldenen Knöpfen verjagt. »Haben Sie eine Reservierung? Nein? Wenn ich Sie dann bitten dürfte?«
Ich gehe ein paar Meter die Straße hinunter und wandere geduldig auf und ab, bis nach zwanzig Minuten endlich der Ehrengast der Veranstaltung aufkreuzt. Schwungvoll parkt Benjamin seinen schwarzen BMW rückwärts ein. Ich laufe ihm entgegen und erreiche seinen Wagen gerade, als er die Autotür zuschlägt und per Fernsteuerung abschließt.
»Guten Abend, Benjamin«, sage ich
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