Mit jedem Herzschlag (German Edition)
vielen Falschsichtungen dieses Mannes hatte Carrie vergessen, wie gut er aussah.
Im selben Moment schweifte sein Blick in ihre Richtung und blieb auf ihrem Gesicht ruhen. Für einen winzigen Moment schien Carlos zu erstarren, und etwas blitzte in seinen Augen auf. Er hatte sie offenbar wiedererkannt.
Vor sechs Monaten waren sie sich nur für etwa eine halbe Stunde begegnet. Damals hatte sie jedoch nie etwas anderes als Selbstbeherrschung und Selbstvertrauen in seinem Blick gesehen – selbst als sie mit der Waffe auf ihn gezielt hatte. Aber jetzt entdeckte sie plötzliche Panik darin. Reine, wilde Panik. Sie leuchtete nur für eine Sekunde auf, dann war nichts mehr davon zu sehen. Sein Gesicht und seine Augen zeigten überhaupt keine Regung mehr.
Er hatte Angst vor etwas. Wahrscheinlich vor ihr.
Nun, dazu hatte er auch allen Grund. Er hatte sie im Kofferraum ihres Autos eingesperrt, verdammt noch mal. Jetzt brauchte sie nur mit dem Finger auf ihn zu zeigen und laut genug zu schreien, um ihm die gesamte Polizeitruppe von St. Simone auf den Hals zu hetzen.
Langsam und bedächtig ging Carrie auf ihn zu.
3. KAPITEL
E r sah auf sich zukommen, was ihn umbringen würde. Felipe Salazar stand in der Lobby des Schroedinger und blickte dem Tod ins Auge.
Es war die Frau aus dem Sea Circus, die mit den Delfinen schwamm. Sie kam direkt auf ihn zu, ein leichtes angespanntes Lächeln auf ihren vollkommenen Lippen. In ihren hübschen meergrünen Augen loderte das Feuer der Hölle.
Statt der schweren Stiefel trug sie ein Paar braune Ledersandalen, anstelle der schäbigen Shorts und des ausgeleierten T-Shirts ein ärmelloses, blau geblümtes kurzes Kleid, das ihm den Atem verschlagen hätte – wenn das nicht schon aus einem ganz anderen Grund der Fall gewesen wäre.
Ihr blondes Haar war länger als vor sechs Monaten. Heute trug sie es offen, sodass es ihr über die Schultern fiel wie ein glatter goldener Schleier, der im Licht der Kronleuchter seidig schimmerte.
Sie hatte nicht viel Make-up aufgelegt, nur ein wenig Lidschatten und Lippenstift, vielleicht einen Hauch Rouge. Jedenfalls hatte sie nicht versucht, die entzückenden Sommersprossen zu verstecken, die ihre feine Nase und die weich gerundeten Wangenknochen sprenkelten.
Madre de Dios! Sie war noch hübscher, als er sie in Erinnerung hatte. Und dabei hatte er in jenen ersten paar Wochen nach dem Showdown mit Iceman und seinen Komplizen fast an nichts anderes gedacht als an sie. Felipe hatte sogar den Sea Circus besucht, nur um sich zu vergewissern, dass es dem Mädchen gut ging.
Sie hieß Caroline Brooks und wurde von allen Carrie genannt.
Er hatte sich den Großteil ihrer Delfinschau angesehen. Hatte gesehen, wie sie zu den großen Meeressäugern ins Becken gesprungen, wie sie auf ihren Rücken geritten war. Hatte gesehen, wie sanft sie mit den Tieren umgegangen war. Hattesie lächeln und lachen gesehen, ohne dass auch nur ein Hauch von Panik auf ihrem hübschen Gesicht aufgeblitzt war. Hatte natürlich auch ihren umwerfenden roten Schwimmanzug gesehen, der ihre Figur so unglaublich betonte, dass er sie beinah angesprochen hätte. Beinah wäre er zu ihr gegangen und hätte den Satz zu Ende gebracht, den er damals begonnen hatte. Jenen Satz, den sie mit einem Biss ihrer scharfen Zähne unterbrochen hatte.
Ich bin Polizist.
Also, warum hatte er es ihr nicht gesagt?
Weil sie ihm viel zu sehr gefallen hatte. Weil er in seinem Herzen gewusst hatte: Selbst wenn es ihm gelang, sie zu verführen, würden ihm ein oder zwei Nächte einfach nicht ausreichen. Und weil ihm allzu klar gewesen war, dass er in wenigen Tagen bereits wieder verschwunden sein und er sich als verdeckter Ermittler unter dem Namen Raoul Tomás García Vasquez in das Verbrechersyndikat von Lawrence Richter einschleichen würde. Und vor allem weil er gewusst hatte, dass eine romantische Beziehung zu ihm sie nur in Gefahr bringen würde.
Also hatte er sie vergessen.
Nun ja, zumindest hatte er versucht , sie zu vergessen.
Wenigstens hatte er einen weiten Bogen um den Sea Circus und die hübsche Caroline Brooks gemacht.
Und nun würde ihm genau das – dass er sie nicht angesprochen hatte, dass er ihr nicht gesagt hatte, dass er Polizist war, dass er ihr nicht offenbart hatte, wer er wirklich war – zum Verhängnis werden. Und sehr wahrscheinlich auch ihr.
Denn als sie jetzt auf ihn zukam, erkannte er in ihrem Blick das Verlangen nach Gerechtigkeit und Vergeltung. Wenn sie die Chance erhielt,
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